Chroniken » Chroniken VII. - Die Zeit des Siegels: Berichte und Erlebnisse vom Hof der Nacht im Jahre 2010
2010.01.30 - Bohème: Tanz der Emotionen
03.02.2010 - 21:24

Als ob ich schon immer am Hofe der Nacht war. So vertraut, so gewohnt. So kam es mir zumindest vor. Aber vielleicht verschaffte mir einfach die Tatsache der Premiere von neuen Geprägten diesen Eindruck.

Auf einmal war alles nicht mehr so schlimm. Auf einmal konnte mich jene Erkenntnis nicht mehr aus der Fassung reißen, welche mich beim Dies Irae zu Boden brachte.

Eigentlich war ich glücklich, zufrieden sogar, wieder an den Hof der Nacht zurückkehren zu dürfen. Doch jene Personen, welche ich sehnlichst erwartet habe, erschienen nicht.

Ein kurzer Hauch der Verlassenheit fasste nach mir, ließ mich beklommen auf eine urgemütliche Couch sinken. Zumal dieser Hauch von einem Lächeln – Lächeln? Oder war es eine schmeichelnde Drohung? – vertieft wurde. Eine gewisse Genugtuung, sadistische Freude strahlte mir durch Nekhrun entgegen. Verdammt, der Stich durch den Körper, ließ mich ihn verfluchen und doch jene Angst zeigen, welche ihm sicherlich eine Freude war. Verflucht!

Schnell treiben mich meine hohen Schuhe irgendwo anders hin. Wer hat eigentlich diese unkomfortablen Dinger für Frauen erfunden? Bestimmt so ein Sadist wie Nekhrun.

Ablenkung folgte prompt durch ein sehr auffälliges Paar. Die eine Hälfte des Paares war sehr klein und zierlich. Die andere Hälfte eine sehr beeindruckende Erscheinung. Groß und stabil, mit unglaublich viel Selbstbewusstsein in den Augen. Sie sind siamesische Zwillinge. Ist es in diesem Moment erlaubt zu lachen? Ich habe es lieber gelassen. Das Grinsen war jedoch nicht zu vermeiden.

Es gab jedoch noch eine Tatsache, die jene Geschichte noch toppen konnte.

Auffällig war, dass jeweils ein Arm der beiden zusammengebunden war. Ein wenig Blut und wohl auch Jod zur Desinfektion war zu sehen. Das Geheimnis? Sie wurden in jungen Jahren getrennt, doch das Bedürfnis, zusammen zu gehören, war so enorm, dass ein dubioser Professor sie wieder zusammennähte. Oh Jesus! Mir fehlen die Worte dazu, da mir jeglicher Sinn der Logik hier abhandenkommt.

Bedauerlicherweise folgten sie wohl nicht ganz meinem Rat, was die Auffassung von Respekt und Höflichkeit am Hofe der Nacht betraf. Einer der Anwesenden betitelten die beiden schließlich als "das Gemüse unter Vegetariern". Hätte von mir sein können.

Mitten unter all den doch recht vergnügten Gesichtern entdeckte ich eine ziemlich aufgelöste junge Frau. Ihr wohl recht hübsches und natürliches Gesicht schien nach Fassung und Verständnis zu ringen. Hastig huschten ihre Blicke durch den Raum, irgendwo einen Halt des Verstandes suchend.

Wie sich später herausstellte, war dies ihr erster Abend am Hofe der Nacht. Die Arme, ich konnte doch recht gut mitfühlen, frische Erinnerungen dabei anzapfend. Aber es tat gut, ihr in einem kritischen Moment beistehen zu können, sie zu trösten und ein wenig Sicherheit zu bieten. Ich hoffe nur, sie hat nicht mein eher skeptisches Gesicht bemerkt, als ich die gebleckten Zähne des Vampirs bemerkte, just nachdem ich der jungen Frau mitteilte, das ihr nichts passieren konnte. Nicht dass jener in diesem Moment blutfixierte Vampir direkt neben uns stand. Neeein!

Aber ich hatte am Ende des Abends den Eindruck gewonnen, wir werden sie wieder sehen. Schön!

Die Gemütlichkeit dieser phänomenalen Couch auskostend näherte sich Asphyx. Peinliche Gedanken schossen direkt hoch und meine momentan erkämpfte Gefasstheit schlitterte dahin. Endgültig ihr nachtrauernd, als sich der Gastgeber der vergangenen Versammlung auch noch neben mich setzte. Wunderbar!

Doch warum all diese Bedenken? Nun gut, der erste Kontakt war sehr bissig. Welch herrlicher Vergleich. Und Asphyx zählt nun wirklich nicht zu jenen Erscheinungen, denen man direkt vollstes Vertrauen schenkt. Doch sollte ich endlich mal meine immer wieder auftauchende Oberflächlichkeit über Bord werfen. Es war ein unglaublicher Moment der Erleichterung, als jener Mann mir seine Hilfe anbot, um endlich die Farce mit der Filmproduktion zu beenden.

Er will mir seinen Anwalt zur Seite stellen. Wundert es mich, dass er einen hat? Na Lilly, weg mit der Oberflächlichkeit!

Es ist kaum zu beschreiben, wie erleichtert man ist, wenn man Hilfe bekommt, ohne mit jedem zweiten Satz eine unterschwellige Drohung zu erhalten. Ich glaube, ich verstehe Lillith jetzt. Er sieht furchterregend aus, ist es aber nicht!

Karl Moore erwies sich mir als ein Anwalt, wie er im Buche steht. Also einem vertrauenswürdigen Anwalt. Zuvorkommend und galant beriet er sich mit mir, und ich kam mir hilfetechnisch geschmeichelt vor. Innerlich konnte ich nicht anders, als zu triumphieren. Mit Karl Moore konnte es einfach nur gelingen. Langsam bröckelt der innerlich Druck ab und das folgende Gespräch mit Nekhrun erwies sich als einen Deut leichter. Wenn auch nur geringfügig.

Ich denke er versucht alles, um mit seinem Gegenüber zu spielen. Eine Grinsekatze, die eine kleine Maus immer wieder aus dem Loch lockt, um für ein paar Momente die Krallen in das seelische Gemüt zu schlagen, ehe er sie wieder entkommen lässt. Habe ich schon erwähnt, dass dieser Vampir ein Sadist ist?

Unser ach so amüsantes Gespräch wurde durch den Ältesten des Hauses Magnus unterbrochen. Förmlich und galant stellte er sich mir als Lawrence vor, und bat mich um ein Gespräch. Ich habe Interesse geweckt, so sagte Nekhrun. Natürlich verschwieg er, dass jenes Interesse natürlich nicht von positiver Art war. Die Maus würde ja sonst nie wieder aus dem Loch kommen.

Impertinenz! So hämmerte es immer stärker gegen meinen Kopf, je länger Lawrence seinen Erläuterungen kund tat. Es kostete mich immens an Kraft, einfach nur ruhig und auch freundlich zu bleiben. Je länger ich jedoch merkte, dass meine Worte absolut ungehört im Raum verweilten, kochte diese Wut in mir. Jener nette Herr aus dem Hause Magnus besitzt diese imponierende Gabe, mit galant umrahmten Worten, Drohungen auszusprechen. Natürlich dabei beteuernd, dass es keine sind. Sehe ich wirklich so blöd aus? Ich spürte den Drang hinaus in die Kälte zu eilen, bevor jene Impertinenz, darin gipfelnd mir mitzuteilen, Nekhrun habe meinen Tod gefordert, meinen Verstand verbrennen konnte.

Bereits im Mantel wurde ich von Karl Moore aufgehalten, der wohl meine etwas wütende Gemütsverfassung erkannte. Es waren seine Worte, die ein wenig die Gefahr reduzierten, aus Wut gegen den nächsten Baum oder das nächste Haus zu fahren. Hat Nekhrun auch ein Auto?

Moore versprach mir, dass er Asphyx um den Schutz des Hauses Khaans für mich bitten wollte.

Sicherlich ist dies eine willkommene Maßnahme, so denn sie genehmigt wird.

Aber ich muss gestehen: Auch ohne den Schutz des Hauses Khaans, würde jener Abend Konsequenzen mit sich bringen.

Ich bin eine Geprägte, eine Sterbliche... aber ich bin kein Spielzeug, dessen Meinung vollkommen ohne Belang ist. Auch Menschen wie ich haben Zähne, wenn auch nicht so spitze.


Eresh´Kigal


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