Chroniken » Chroniken VII. - Die Zeit des Siegels: Berichte und Erlebnisse vom Hof der Nacht im Jahre 2010
2010.03.13 - Le Petit Paradis
15.03.2010 - 08:56

Herrlich frisch modern wirkte das kleine Cafe auf mich, als ich es betrat. Selbst die für den gegebenen Anlass dekorierten Tische mit schwarzen Decken und silbernen Kerzenleuchtern frischten das Ambiente auf, boten einen angenehmen Kontrast zu dezentem grün, zitronengelb und hellem Holz.

Deutlich vor der Zeit kam ich dort an, um mich mental auf das Kommende vorzubereiten.

Doch schon bald konnte ich die Gesellschaft Gabriels teilen, welcher unter anderen mir diese Einladung zukommen ließ. Mein Magen knurrte fordernd, doch dauerte es eine Weile bis ich endlich meine Wahl treffen konnte, da immer wieder neu hinzukommende Gäste begrüßt werden wollten.

Ein Blick über die fast versammelte Gesellschaft ließ jene zwar (von den Farben her) eher düster erscheinen, doch jede anwesende Person brachte eine für sich bunte Vielfalt mit, geprägt von ihrem Charakter oder Erscheinung.
Die erste Anspannung, welche mich immer noch am Anfang eines solchen Abends heimsucht, wich auch alsbald.

Muntere Gespräche und meist sichtbar gut gelaunte Gesellschaft umgab mich. Selbst Tatjana, eine Vampirin, der ich wirklich mit Vorsicht begegne, füllte den Abend mit fantasievollen Gesprächen und Gesten. Ich konnte nicht umhin, sie immer wieder zu beobachten. Wie eine kleine verstreute Elfe tanzte sie in dem Lokal herum und jeden Moment hätte man erwarten können, dass tausend Blumen auf einen herab regnen.
Und dann fragte sie mich doch glatt, ob ich nicht ein Theaterstück für sie schreiben würde. Als ob ich einem Vampir, wie sie es ist, etwas abschlagen würde. Ich bin nun wirklich nicht lebensmüde. Ehrlich!

Dank Nairu, auch sie war heute wohl bester Laune, durfte ich die Bekanntschaft mit Krieg machen. Ein für mich erst eher unscheinbarer Sterblicher, der sich im Laufe des Abends als doch sehr interessante Person herausstellte. Man bedenke, ich habe fast den ganzen Abend der Konversation mit ihm gefrönt.

Aufgefrischt wurde die Unterhaltung durch das fröhliche und recht freche Gemüt von Aurora, welche Nairu in nichts nachstand. Diese Kombination der drei Gesprächspartner verführte oft zu heiteren Lacheinsätzen. Memo an mich: Sollte ich jemals in die Verlegenheit geraten, Aurora ein Geschenk zu machen, so sollte dies alles andere als spanisch sein. Und eine Einladung zu einer Hafenschenke mit Tänzern sollte ich auch tunlichst vermeiden.

Der werte Krieg scheint hinter all seiner wohl eher zurückhaltenden und bescheidenen Wirkung recht erfüllt mit Wissen zu sein, was den Hof der Nacht angeht. Die Offerte, ihm tausend Fragen zu stellen, überrumpelte mich all zu heftig. Man überlege, eine wohl sortierte Frage nach der anderen zu stellen, wenn es darum geht eine vollkommene neue Welt zu erkunden. Eine unglaubliche Herausforderung!

Ich gab mich zunächst mit der Frage nach all den existierenden Häusern zufrieden, welche schon mindestens eine Stunde an Gesprächsstoff lieferte. Natürlich immer wieder gespickt mit interessanten sowohl als auch belustigenden Geschichten. Ich hätte ihm Tage zuhören können. Mein Wissensdurst kreischte förmlich vor Freude in mir.

Natürlich wurde auch eifrig über politische Angelegenheiten gesprochen. Vor allem das recht auffallende Wachsen des Hauses Khaan. Und natürlich ließ es sich auch nicht vermeiden, über meine persönliche Problematik bezüglich meines Buches in Zusammenhang mit Nekhrun und mittlerweile auch Lawrence zu reden. Doch hier gebot ich mir Vorsicht. Aurora ist zu nah an Lawrence dran, um hier unüberlegte Äußerungen fallen zu lassen. Das habe ich dann lieber dem werten Krieg überlassen. Ein Schmunzeln schleicht hierbei über mein Gesicht. Herrliche Erinnerungen!

Bis zu jenem Zeitpunkt umschmeichelte mich eine wohlige Stimmung, und ich fühlte mich gänzlich heimisch. Bis ich aus den Augenwinkeln bemerkte, welche Gäste noch geladen waren.
Natürlich – Nekhrun. Mein Herz krachte vor Schreck einige Etagen tiefer. Gerade noch über der Getränkekarte sinnierend suchte ich eilig nach etwas wie Whisky oder am besten direkt Wodka.
Moment, liebe Lilly! Das wollten wir doch abschalten. Also nichts da, und wieder hoch mit dem Herz, Kopf gerade und ein tapferes Lächeln aufsetzen. Schon viel besser.

Kurz wackelte noch das tapfere Lächeln, als ich sah, dass ebenso Sophie das Café betreten hatte. Bisher hatte ich noch nicht das persönliche Vergnügen mit dieser Dame. Und darüber bin ich auch ehrlich gesagt recht froh.

Ich blickte kurz zu Gabriel, und fragte mich, weshalb er, wo er doch wusste, welch spannende Beziehung zwischen mir und Nekhrun herrschte, uns beide auf solch eine kleine Gesellschaft einlud. Aber da war ja auch noch Alex Mandell, welche ebenso Gastgeber war. Vielleicht ist es auch besser, wenn ich das nicht weiß.

Immer wieder tief durch atmend, meine Fassung aufrecht haltend, versuchte ich das Gespräch mit Krieg und Aurora weiter zu führen. Sah ich da etwa ein amüsiertes Lächeln bei Krieg? Wundervoll, vielen lieben Dank! Niemand der Anwesenden wusste doch, welchen Brief ich an Nekhrun geschrieben hatte. Einen Brief, der sicherlich darüber entscheiden würde, ob ich jemals mein Studium beenden kann oder nicht. Und ich bin doch so kurz vor meiner Abschlussarbeit!

Doch seltsamerweise ließ Nekhrun mich gänzlich in Frieden. Hatte er den Brief nicht bekommen? Oder reifte in seinem sadistischen Wesen ein unsäglich grausamer Plan heran, den Moment der Rache qualvoll süß in die Länge zu ziehen?
Aber vielleicht sollte ich das alles nicht so schwer auf die goldene Waage legen. Vielleicht langweilte ihn das Spiel mittlerweile, und er hat eine neue Herausforderung gefunden, womit seine Aufmerksamkeit gänzlich von mir abgelenkt ist. Das wäre die fantastischste Lösung von allen.

Wo wir gerade beim dem Thema Aufmerksamkeit sind. Ein grandioser Einfall von Krieg zerstörte zumindest für ein kleines Stück meine zuletzt beschriebene Hoffnung.

Da wir aufgerufen waren, etwas Persönliches von uns mitzubringen, kam ich dieser natürlich brav nach, und habe Aufnahmen aus meinen bisherigen Foto-Shooting-Erfahrungen mitgebracht. Da sich darunter auch Aufnahmen von etwas blutiger Art befanden, umrahmt von Ketten und natürlich Gewalt, erschien es Krieg als sinnvoll, Nekhrun auf meine Werke aufmerksam zu machen. Der Fluch Krieg gegenüber blieb lautlos, aber er existierte.

Es war keine Überraschung, dass Nekhrun, eher unbeeindruckt von den Landschaftsaufnahmen, bei den Szenen aus dem Gothic-Splatter-Shooting etwas länger verweilte. Ich konnte nicht umhin sein Lächeln als eher jenes zu beschreiben, was mir versprach, dass ich wohl selbst gut weiß, was mich erwarten könnte. Ich will mich in Luft auflösen. Sofort!

Und als ob jenes stille Versprechen nicht schon genug gewesen wäre, musste ich auch noch wahrheitsgemäß auf seine Frage antworten, weshalb ich ausgerechnet jene Szenerie gewählt habe. Ich verkehre des Öfteren selbst in der Gothic-Szene.
Schön Lilly, plapper doch direkt alles aus. Niemand kennt sonst diese Seite von mir. Selbst meinem näherem Umfeld offenbare ich diese Seite nicht. Und dann ausgerechnet ihm gegenüber! Wollte ich mich nicht schon vorhin in Luft auflösen?
Innerlich mich für diesen Moment geschlagen geben, gezeigt habe ich dies natürlich nicht, harrte ich ruhig weiter der Dinge die da kamen.
Und siehe da, ich lernte eine etwas andere Seite von jenem krallenbesetzten Vampir kennen. Er konnte sogar offen lachen, über sogar wirklich lustige Dinge. Und das Schlimmste war, ich musste sogar mitlachen. Ist das nicht peinlich? Ich weiß es nicht. Sicherlich werde ich nicht auf diesen Moment aufbauen und keine Vorsicht mehr walten lassen.

Krieg hatte mir vielleicht einen kleinen Kunstbonus gegenüber Nekhrun zugespielt, aber ich glaube nicht, dass jener auch lange genug währen wird. Lieber auf das Schlimmste gefasst sein, als lachend und unbekümmert in den Tod zu rennen.

Obwohl - so schlecht klingt das noch nicht mal.


Eresh´Kigal


gedruckt am Heute, 13:53
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