Chroniken » Chroniken VIII. - Die Zeit des Kreises: Berichte und Erlebnisse vom Hof der Nacht im Jahre 2011
2011.10.29 - Tanz der Schatten: Tanz unter Bestien - Kapitel 3
02.11.2011 - 19:08

Es ist schwer sich zu beruhigen. Es war knapp. Verdammt knapp. Was wäre passiert, wenn Krieg doch zugebissen hätte?
Es ärgerte mich zutiefst fast einen Streit zwischen Haus Chimaera und Nekhrun herbei beschworen zu haben. Töricht!

Zumal ich doch einfach mich an das erinnern hätte sollen, was noch kurz davor geschah. Wie genau dieser Vampir mit seinem Opfer spielte. Ich sah ja auch noch aus nächster Nähe zu. Kopfschüttelnd beobachtete ich das Opfer. Es schreit geradezu danach, getötet zu werden. Wie kann ich es wagen, mich mit einem jungen hungrigen Vampir anzulegen, wenn ich auch noch ohne Schutz bin? Als einziger! Rogan, Du leidest definitiv an Masochismus und Selbstzerstörung!

Und ich verstand nicht, weshalb Simon so lange zögerte. Er hätte schon längst tot sein müssen. In meinen Augen hätte er es verdient. Den Tod so zu provozieren, ihn herauszufordern. Als Sterblicher.
Doch Maljinn rettete Rogan, weshalb auch immer.
Ich verstand sie nicht.
Erneut.
Ich wand mich ab.
Mehr als von der Szene.

Zusammen mit Lilith verzog ich mich an die frische Luft. Die Kühle verschaffte mir ein wenig frischen Verstand und ruhigere Nerven. Wir verbrachten einige Zeit draußen. Leider zu viel. Als wir zurückkehrten, verkündete der Nicht-Hyänen-Butler mit einem süffisanten Grinsen, dass soeben eine Erschaffung stattfand.

Sofort eilten wir in den Ballsaal und erschrocken starrten wir auf die junge Vampirin, die dort von Lyra gestützt wurde.
Traurig und bestürzt flüsterten Lilith und ich zur gleichen Zeit den Namen aus:

Nairu

Ich kann nicht erklären warum, aber sie nun nicht mehr unter den Sterblichen zu sehen machte mich traurig. Sicherlich ist es für die meisten die höchste Gunst, in den Kreis der Unsterblichen eintreten zu dürfen. Vielleicht war ich traurig, weil ich so wenige Chancen hatte, sie kennen zu lernen. Mehr von ihr zu erfahren. Sie war ja schillernd genug. Und so mutig. Nie werde ich vergessen, wie sie bei der Herausforderung der Sieben sich vor alle hinstellte, und genau das aussprach was ich dachte, aber nie gewagt hätte zu sagen. Oder das heitere Lästern bei dem kleinen Treffen im Le Petit Paradis.

War das nun vorbei? Wie sehr würde sie sich verändern?

Und dann kam mir der nächste, eher beunruhigende Gedanke. Nairu war schon als Erwählte... naja... sagen wir dezent unzurechnungsfähig. Und jetzt als Vampir? Als junger hungriger Vampir? Fazit: Großen Bogen um Nairu machen... ganz großen Bogen. Neue Herausforderung so unauffällig auffällig zu sein wie möglich.

Es drängte uns wieder hinaus an die frische Luft. Der gefühlte Mangel an Sauerstoff war an noch keinem Abend so überwältigend wie an diesem. Lilith und ich waren immer noch bestürzt über die Verwandlung. Dann näherte sich Raphael, dieses herrlich ätherische Lichtwesen, wie Lilith immer so schön sagt. Auch Dory-Ann wandelte zu uns herüber. Anders kann man diese Bewegungen nicht beschreiben. Aber irgendetwas stimmte nicht. Irgendwas war seltsam. Dachte etwa das Buffet, welches in meinem Magen schlummerte, es müsste wieder raus?

Nein... es dröhnt eher im Kopf... im Herz... nein... NEIN!

Dunkelheit
Warm
Flauschig
Schlaf
Befreit
Nein
Noch nicht
Es ist zu früh

Ich kam wieder zu mir im Ballsaal. Um mich herum wilder Trubel. Und Lothringus. Lilith fragte mich ob ich wieder Lilly sei oder immer noch Adelheid. Wer zur Hölle ist Adelheid? Und wer ist so grausam seinem Kind solch einen Namen zu geben? Erleichtert erklärte man mir, dass ich wohl eben einen Besuch eines Geistes in meinem Körper hatte. Scheinbar meinte eine Verlobte von Lothringus sich noch einmal in Szene setzen zu müssen. Moment mal. Lothringus hatte eine Verlobte? Besser gesagt, Konstantin. Jetzt wurde es interessant! Und ich war nur körperlich dabei.

Es sprudelte nur so aus Lilith heraus. Ich, besser gesagt mein Gast im Körper, war der absoluten Überzeugung, es sei 1875. Und jener Gast war entsetzt über meinen Kleidergschmack. Das entsetzte mich wiederum. Wie unverfroren!

Lothringus bot sich dann an, mir näheres zu erläutern. In seiner eigenen herrlich linguistischen Weise. Anstrengend, aber informativ. Demnach war Lothringus jünger als ich annahm. Ein leichtes Grinsen stellt sich innerlich ein. Verflog allerdings rasch, als ich erzählt bekam, dass ich, besser gesagt mein geklauter Körper, die Aufmerksamkeit des ganzen Hofes hatte.
Wie unangenehm.
Die Auflösung der Verlobung schien wohl meine Rettung zu sein. Immer noch leicht benommen den Worten Lothringus lauschend, näherte sich eine etwas erzürnte Gräfin mit dieser Hellseherin.
Nicht gut.

Die Gräfin warf Lothringus vor, sich wohl mit Gleichem an ihr zu rächen. Ich verstand in diesem Moment nur Bahnhof. Nachdem die Züge den richtigen Gleisen und der richtigen Uhrzeit zugeordnet wurden, hatte ich dann auch endlich wieder den Überblick. Scheinbar hatte Lothringus es der Gastgeberin zu verdanken, dass der Geist die Möglichkeit hatte sich meines Körpers zu ermächtigen. Und nun stand da diese Hellseherin neben der Gräfin. Ziemlich verängstigt und eingeschüchtert. Kein Wunder. Ich habe immer wieder im Vorbeigehen gesehen, welch vorzüglich Talent sie besaß, von einer Krise in die nächste zu rennen.
Sie behauptete von sich, ein Nachkomme der Familie der Gräfin zu sein. Oh wie bescheiden. Doch Ysadora schien das nicht zu glauben, und vermutete in der Gestalt der Hellseherin den Geist einer ihrer Nachkommen.

Lothringus beteuerte, dass er erstens gar nicht in der Lage zu solcher Geisterverschiebung sei, noch die Zeit dazu gehabt hätte. Er musste ja eine verwirrte Lilly über ihr Doppelleben als Adelheid aufklären. Wie wahr!

Der weiteren Diskussion zwischen der Gräfin und ehemals Konstantin entzog ich mich dann dezent. Der beliebte Sauerstoffmangel machte sich abermals bemerkbar.

Auf dem Weg nach draußen in den Hof wurde ich von Astarte und Lilly begleitet. Astartes hämisches Grinsen konnte keinem entgehen. Es war ihr wohl eine diebische Freude die Szene beobachten zu können. Es herrscht wohl eine äußerste Feindseligkeit zwischen Lothringus und Astarte. Wie unverständlich!

Ein wenig erschöpft setzte ich mich hin und sog die frische Luft ein. In meinen Körper. In meine Lungen. Alles war wieder mein.


Eresh´Kigal


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