Chroniken » Chroniken VIIII. - Die Zeit der Scherben: Berichte und Erlebnisse vom Hof der Nacht im Jahre 2012 |
2012.03.03 - Kreuzwege: Estimado Señor... |
04.03.2012 - 20:34 |
Verehrter Herr,
wir sind soeben von unserem ersten Abend am Hof der Nacht zurückgekehrt. Ich bin mir nicht sicher was für einen Eindruck diese Gesellschaft bei mir hinterlassen hat; zwar konnte ich immer wieder Gemeinsamkeiten feststellen, doch es gibt scheinbar keinen gemeinsamen Nenner wie bei uns. Im Gegenteil, es gibt dort sehr viele grundverschiedene Philosphien und Glaubensrichtungen, wie Ihr meinem ausführlichen Bericht anbei entnehmen könnt. Vor allem die Art wie hier mit Sterblichen umgegangen wird, und wie die Sterblichen mit Vampiren umgehen, ist für mich äußerst ungewöhnlich. Kaum ein Sterblicher senkt hier auch nur den Blick, geschweige denn niederzuknien – in der Tat war Daria hierdurch für viele eine Kuriosität. Die Sterblichen die nicht erwählt sind, sind Freiwild, ähnlich wie bei uns die Nutzmenschen. Jedoch gibt es hier niemanden der Verantwortung für sie übernimmt, der sie Respekt lehrt, der einschreitet wenn sie zum Beispiel stören.
Durch die lose Aufteilung in Häuser, also meist kleine familiäre Strukturen, gibt es auch keine klar erkennbaren Hierarchien – denn während Nekhrun (oder der nicht anwesende Herr von Hardenberg oder seine Partnerin Sophie von Kühn) ganz klar oben steht, sind die Ebenen darunter, zwischen den verschiedenen Hausältesten und ihren Gefolgen, scheinbar sehr weit gefächert. Ich werde versuchen hierüber mehr herauszufinden. Es scheint auch keine klare Etikette zu geben, denn während ich mich vorstellte, habe ich alles erlebt, von einem vollendeten Handkuss, bis zum formlosen "Guten Abend". Und viele Sterbliche zögerten nicht, sich mit mir auf Augenhöhe zu unterhalten, was im ersten Moment eine äußerst ungewöhnliche Erfahrung für mich war. Diese Menschen fühlen sich offensichtlich sicher, auch wenn manche ganz offen zugaben, dass sie manchmal Angst haben oder sich unwohl fühlen unter Vampiren. Trotzdem, sie verlassen sich scheinbar darauf, dass ihr Haus sie beschützt. Auch bei Daria konnte ich beobachten, dass sie sich mit der Zeit sicherer fühlte, und sich den Begebenheiten anpasste. (Ich werde diese Entwicklung im Auge behalten, aber ich glaube nicht, dass sie ihre Erziehung durch ein paar zwanglose Abende vergessen wird.) Insgesamt übertrifft sie übrigens alle Erwartungen, die ich an einen Nutzmenschen hatte.
Was meinen Empfang am Hof angeht, habe ich durchaus einen guten Eindruck. Niemand hat Zweifel an meiner Geschichte geäußert und auch eventuelle Ungereimtheiten scheinen niemanden aufzufallen. Lediglich ein Vampir könnte Schwierigkeiten bereiten, ein Mitglied des Hauses Nekhrun namens Sin. Er hat selbst in Cuba gelebt, und schien meinen Akzent zuordnen zu können. Glücklicherweise schien er von mir überzeugter als von seinem Sprachgehör.
Ich hoffe dass ich Eure Erwartungen erfüllen kann und werde solange hier verweilen wie Ihr es wünscht. (Von Seiten Nekhruns erwarte ich hier keine Probleme). Aber ich möchte meine Hoffnung äußern, bald nach Hause zurückkehren zu dürfen – selbst wenn es nur vorübergehend ist.
Eure ehrergebenste Dienerin,
Vania Juarez-Moreno |
Vania Juarez-Moreno |
gedruckt am Heute, 13:22 |
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