Chroniken » Chroniken XI. - Die Zeit des Schnitters: Berichte und Erlebnisse vom Hof der Nacht im Jahre 2014
2014.12.30 - Blick zurück II.: Das Schicksal würfelt nicht, aber manchmal mischt es die Karten neu...
30.12.2014 - 13:52

Ein leises Rascheln ist im Hofe zu hören als eine Gestalt unsere kleine Bühne betritt. Im schwachen Licht des fahlen Mondes leuchten ihre Farben umso mehr, blutrot und gold.

Das lustige Klingeln der Schellen und Glöckchen klingt seltsam unheimlich, wie Hohn, wie Spott. Sein Antlitz liegt tief in seiner Kapuze verborgen, doch das feine, scharfgeschnittene Lächeln ist unverkennbar und in seinen dunklen Augen blitzt ein boshafter Schalk.

"Wir sehen das Pendel schwingen. Schneller und schneller.

Zum Tanze gehören immer zwei Tänzer. Sagte man das nicht im Haus des Zweifels? Es liegt ohne jeden Zweifel eine gewisse Ironie darin. Oder auch Torheit."

Ein leises, flüsterndes Lachen ist zu hören, unbestimmt, von irgendwo her.

"Wir sahen den Aufstieg des Fuchses. War er es nicht, der das Erbe antreten wollte? War er es nicht, der das Gleichgewicht bringen sollte?

Doch die Saat, die gesät wurde, ging nicht auf. Es will uns Scheinen das der Augenblick verstrich, der hätte genutzt werden können. Uns so sahen wir die Stille zurückkehren.

Und mit der Stille kamen die heimlichen Herrscher. Die das Pendel in die eine Richtung zu schwingen vermögen. Doch sie scheinen wenig bereit zu sein ins Rampenlicht zu treten, scheuen gar das Publikum. Lieber schärfen sie das Totenmesser im Verborgenen.

Dennoch, am Ende waren sie das Element der Säule. Eher bereit zu bewahren als zu zerstören. Eher bereit dem Toten neues Leben einzuhauchen. Untotes Leben? Das ist die Frage.

Von Gnade und Barmherzigkeit sprichst Du, Bruder? Wir sagen Dir, die Gnade die dem wilden Jungvolk gewährt wurde in dieser Zeit, in diesem Jahr, ist in Wahrheit nichts als die Klaue, die das Chaos bringt. Und man sieht sie allen Ortes, die Herrenlosen, die keiner Ordnung gehorchenden.

Kinder."

Ein leises Klingeln der Glöckchen an seinem Stab unterstreicht den Anflug von Belustigung in der sanften Stimme des Buntberobten.

"Doch es gibt auch neue Tänzer in unserem kleinen Reigen! Seht nur, am Ende, als die Melodie schon fast verklungen war, traten sie zum ersten Mal zur Gänze ins Rampenlicht. Offenkundig haben sie jetzt den Tanzschuh übergestreift und möchten jetzt den rechten Takt und das rechte Maß tanzen. So wie die anderen Häuser. Freuen wir uns über ihre ersten Schritte!"

Ein leises Klirren ist zu hören, als ob jemand Münzen zählen würde.

"Und natürlich taten wir gut daran, sie an den noch fälligen Lohn für den Spielmann zu erinnern, Bruder.

Natürlich gibt es da noch die Anderen, die nur allzu gern nach ihrem eigenen Lied tanzen. Wir wissen nicht, wohin sie das führen wird, aber wir zweifeln nicht, dass wir von ihnen noch die ein oder andere Melodie hören werden."

Seine Stimme wird zu einem scharfen Flüstern.

"Was Fragen aufwirft."

Ein kaltes, unwirkliches Lachen ist zu hören, wie das trockene Geräusch von verfallenem Pergament.

"Das Pendel schwingt, doch nicht mehr so wie einst. Schneller, ja. Schneller. "

Die Stimme wird wieder etwas weicher, sanftmütiger.

"Latein. Latein ist nicht meine Stärke. Zuviel, zuviel, zuviel vergessen."

Die Gestalt hebt die Hand in einer anmutigen Geste in eine unbestimmte Richtung, dann dreht sie ganz langsam die Handfläche von oben nach unten. Ihre dunklen Augen blitzen für einen Herzschlag auf.

"Doch was, so fragen wir uns Bruder, Schwester, wird passieren wenn das Pendel auf dem Kopf steht?"


Mercurius


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