Archiv » Haus Lucius |
Introductio Haus Lucius |
10.08.2004 - 02:45 |
Essen, 1906: Isidor warf einen Blick in die Runde. Die neue Symphonie war gut gefüllt. Die Schönen und die Reichen versammelten sich neuerdings hier zu gesellschaftlichen Ereignissen.
Der weite Raum war vom schummrigen Licht der Gasleuchter erfüllt. Viele Besucher hatten sich in ihre kostbarsten Gewänder gehüllt.
Isidor blickte zur Loge, die seiner genau gegenüber lag. Dort hatte sich ein Herr niedergelassen. Auch er trug kostbare Kleider. Zwar waren sie schon ein wenig aus der Mode, dennoch waren sie um einiges exquisiter als die der anderen Anwesenden. Seine blasse Haut schimmerte wie Meissener Porzellan und bildete einen starken Kontrast zu seinem mitternachtsblauen Rock. Letzterer hatte prächtige goldene Knöpfe. Sein Gesicht war markant und strahlte Würde aus, welche von der Festigkeit seines Blicks noch unterstrichen wurde. Er sah zu Isidor herüber und hob die Rechte zu einem huldvollen Gruß, während er die linke Hand auf seinem Stock beließ.
Isidor fieberte diesem Abend seit Langem entgegen. Dies war der Höhepunkt einer langen Zeit der Vorbereitung. Jetzt, in dieser Nacht sollte es sich entscheiden. Die Lichter erloschen und das Murmeln verebbte. Der Vorhang öffnete sich und das Orchester spielte auf. Gebannt verfolgte Isidor die Aufführung, sog sie in sich auf. Dann gab der männliche Hauptdarsteller sein Solo zum Besten. Voller Inbrunst und Leidenschaft füllte seine Stimme den Raum. Das Spiel seiner Miene rührte viele zu Tränen. Isidor zollte dem Sterblichen innerlich seinen Respekt.
In der darauf folgenden Szene folgte dann endlich das Solo der weiblichen Hauptdarstellerin, eigentlicher Grund für Isidors Aufregung. Mit Passion formte sie die Töne, die allen erschienen wie Sphärenklänge, entsandt aus höchsten Himmeln. Sie erfüllte den Raum mit ihrer erhabenen Präsenz und ließ ihr Pendant wie einen Stümper erscheinen. Meisterhaft intonierte sie jede Koloratur, jede noch so raffinierte Passage der Partitur. Tiefste Zufriedenheit erfüllte Isidor.
Die Vorstellung endete mit brandendem Applaus.
Isidor saß an seinem üblichen Tisch aus feinem Nussholz. Bernsteinfarbenes Licht ging von den Kandelabern aus. Gedankenverloren spielte er mit dem Medaillon, einem Bild von seiner neuesten Errungenschaft. Die Flügeltüren öffneten sich lautlos und eine Gestalt näherte sich ihm mit gemächlichem Tempo.
„Setzt Euch mein Lieber!“ Isidors höfliche Floskel konnte nicht ganz den Hauch von Triumph verbergen.
Der edle Gast ließ sich auf dem einzelnen Stuhl nieder, gegenüber von Isidor.
„Ich muss sagen, teurer Isidor, ich bin über die Maßen überrascht!“.
Isidor konnte sich eines amüsierten Blickes in Richtung seines Gastes nicht erwehren.
„Euer Erwählter hat Talent, keine Frage. Ich bin sicher, dass man von ihm noch sprechen wird.“, lobte Isidor.
„Allerdings reichte er nicht an die exzellente Darbietung Eurer Erwählten heran. Ich denke, ich muss mich geschlagen geben. Es ist wohl eindeutig, Ihr habt das Jeux des Rois gewonnen. Ich werde meinen Erwählten in Eure Hände übergeben. Mir scheint, als ob er es in Eurer weisen Obhut nur besser haben wird. Und unser kleiner Streit sei vergessen, mein lieber Isidor.“, sagte der Gast mit einem leicht devoten Unterton, der nur zwischen den Zeilen einen Anflug von Verärgerung erkennen ließ.
„Ich freue mich, dass wir einander wieder in Freundschaft begegnen können. Ich fürchtete, wir würden nie wieder beisammen sitzen und uns so köstlich amüsieren, wie wir es bisher taten.“, entgegnete Isidor.
„Nun denn. Ich denke, es ist Zeit für mich. Ich würde mich freuen Euch bald in meinem Hause als Gast begrüßen zu können, zu einem Kartenspiel vielleicht?“.
„Gewiss! Ich wünsche Euch eine gute Heimreise!“
Mit der Eleganz der Ewigkeit erhob sich der Gast und verließ den Saal. Im Öffnen der Türen sah Isidor die Umrisse einer weiteren Person, die nun den Raum betrat. Sie näherte sich mit sanften Schritten, ihr zartes Herz schlug rasch.
Isidor war erfüllt von seinem Triumph. Wieder einmal hatte er bewiesen, dass Haus Lucius das beste Gespür hatte, wenn es darum ging, die unendlichen Formen der Perfektion wahrzunehmen.
Sie setzte sich zu ihm. Es war seine Erwählte. Der alte Vampir schenkte ihr einen anerkennenden Blick.
Sie sah so wunderschön aus in ihrem kaisergelben Kleid. |
Sid |
gedruckt am Heute, 11:31 |
|
http://www.theater-der-vampire.de/include.php?path=content/content.php&contentid=155 |
|