Grundlagen » Szenen - Geschichten aus dem Theater der Vampire
2. Akt: Hohepriesterin - Wenn der Vorhang sich hebt
27.02.2004 - 08:18

Mein Name ist Michael. Dies ist die Geschichte meines Todes.

Eigentlich begann es bereits vor gut einem Jahr mit einem schweren Unfall. 4 Tote, ich überlebte, wie durch ein Wunder. Der Arzt meinte, dass es eine Fügung des Schicksals gewesen sei, dass ich aus dem brennenden Wrack herausgeschleudert wurde.

Damals wußte er nicht, wie Recht er behalten würde. Ich selbst aber sah mein Weiterleben eher als eine Strafe an.

Von da an ging es bergab. Mit meiner Familie hatte ich alles verloren, was mir wichtig war. Ich zog mich zurück, litt unter Depressionen. Die Leere in mir frass sich langsam wie eine Made durch mich hindurch. Wie durch eine Leiche.

Bald vegetierte ich nur noch in der Bedeutungslosigkeit meines Daseins hinein. Aber ich will Sie hier nicht weiter langweilen, werter Leser.

Eines Tages erhielt ich eine Einladung. Der Brief, von einer zarten, weiblichen Handschrift war an mich adressiert. Die Seiten raschelten beim Öffnen und der feine, nuancierte Geruch eines teuren Perfüms strömte mir anregend entgegen.

Der Brief war eine Einladung, auf ganz altmodische Weise mit einem Füllfederhalter geschrieben und von einer klassischen Eleganz. Und das im Zeitalter von E-Mail und Internet.

Vielleicht war es das, was mich neugierig machte. Ich weiß es heute rückblickend nicht mehr, aber ich nahm die Einladung zu einer Seancé bei einer Wahrsagerin an, Das es eine Einladung zu einer Tasse Tee mit dem Tod sein würde, hätten Sie das vorher geahnt?

Da saß ich also nun, im Schein einer einzelnen, flackernden Kerze und mir gegenüber saß sie.

Marianna.

Diesen Namen hatte sie mir genannt, mit einer warmen, lockenden Stimme, fast einem Flüstern, welches sich auf Raubkatzenpfoten vorsichtig aber zielsicher anschleicht.

Viel konnte ich nicht sehen von ihr, im dämmrigen, dunkelroten Schein. Sie trug ein nachtschwarzes Kleid, altmodisch und mit viel Spitze, welches sich dicht an ihren zierlichen Körper schmiegte. Ihre Hände waren schlank, hauchzart wie feinstes Porzellan. Ihr Gesicht? Nun, ihr Gesicht konnte ich nicht sehen, sie trug einen schwarzen Schleier, der mit einigen Perlen an der hochgesteckten Flut ihrer dunkelroten Haare befestigt war. Ihre Augen waren faszinierend, glühend, unheimlich. Sie schien mich mit ihrem rästelhaften undurchdringlichen Blick zu mustern und ich erahnte einen Hauch eines Lächelns auf ihren schimmernden Lippen, die verheissend hinter der schwarzen Spitze glommen.

Mit ihrer Beobachtung sichtlich zufrieden begann sie ein Tarot vor mir auszubreiten und lies mich ohne weitere Erläuterungen mit einer einladenden Geste einige Male abheben. Dann sprach sie mich an, ihre Stimme machte mich trunken, wie süsser Wein:

„Du bist vom Schicksal gezeichnet, geprägt, einer unter Wenigen.

Nun ist es an der Zeit, dass wir die drei Zeichen, Dein Omen bestimmen.

Es ist an der Zeit den Vorhang zu heben.

Es ist an der Zeit, denn ich habe Dich erwählt.

Heute Nacht wirst Du die Wahrheit erfahren.

Und nun, mein Erwählter, zieh eine Karte......“



Mercurius


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