Chroniken » Chroniken II. - Die Zeit des Wandels: Berichte und Erlebnisse vom Hof der Nacht im Jahre 2005
2005.07.24 - Treffen auf Haus Morgenröte
02.08.2005 - 16:03

Ich kann nicht leugnen, dass ich durchaus aufgeregt war als ich mich an jenem Sonntag Morgen zur Ruhe bettete; Neugier und Vorfreude hielten mich wach und liessen mich den Sonnenaufgang länger als gewohnt betrachten. Es würde zwar eine recht kleine Versammlung werden, doch hatte mich die Zusammenkunft an Karfreitag bei Isidor von Xanten gelehrt, dass auch jene kleinen Treffen sehr angenehm und durchaus nicht ungefährlich sein konnten.

Von Haus Nekhrun würden nur Nekhrun selber, Phyllis, Calliope, welche das Treffen ausrichtete und ich präsent sein; jene, die mich gefunden hatte, Cassiopeia, war bereits während der Passion der 7 abgereist und ihre Rückkehr war ungewiss, obwohl wir uns sicher waren, dass sie mit Nekhrun in Kontakt stand. Hades war natürlich mit ihr gegangen. Aglaia war wie so häufig in letzter Zeit nicht auf Haus Morgenröte; sie schien jemanden oder etwas gefunden zu haben, was ihr große Freude bereitete und verschwand regelmässig, oft auch für mehrere Nächte. Seit der Passion der 7 hatte sie sich am Hof der Nacht nicht blicken lassen, sondern ging ihrer eigenen Wege. Ebenso auch Ruben, der sich in bester Künstlermanier ob seines Wirkens zurückzog. Immer seltener erblickte man ihn und immer grimmiger wurde er, als ob die künstlerische Perfektion, nach der er so strebt, zum Greifen nahe wäre und ihm doch jede Nacht aufs Neue entgleiten würde. Samuel und seine Begleiterin waren nach der Passion der 7, welche Samuel nur knapp überlebt hatte, umgehend abgereist; seither haben wir sie nicht wiedergesehen und es würde mich überraschen, wenn sie wiederkommen würden – zu sehr hatte sie der Schock mitgenommen.

„Sargon von Akkad und Jasmin bedauern Euch mitteilen zu müssen, dass sie wegen geschäftlicher Verpflichtungen nicht im Stande sein werden, Eurer Einladung Folge zu leisten.“ Etwas enttäuscht überbrachte ich Nekhrun diese Nachricht, denn die beiden charismatischen und geheimnisvollen Abgesandten des Ordo Proxima hatten meine Neugier vom ersten Augenblick an geweckt. Ebenso enttäuscht überbrachte ich Calliope die Nachricht eines gewissen Gabriel von Haus Magnus, dass Camilla nicht kommen konnte.

Michael Hauke, der Musiker, der seit dem Abend des Hauses Hardenberg Calliope Avancen machte, erschien als erster. Er wirkte recht schüchtern und da Calliope mich an ihrer Seite wünschte, während sie die Gäste begrüßte, näherte er sich ihr den ganzen Abend nicht. Doch er bewies zur großen Freude aller Anwesender an diesem Abend sein Talent und spielte einige Stücke auf seiner Gitarre. Es erfreute mich sehr, dass er spanische und lateinamerikanische Stücke bevorzugte.

Der nächste Gast war eine Überraschung: Nekhrun brachte eine junge Geprägte mit, Lukrezia, welche laut Nekhrun seit kurzer Zeit bei uns auf Haus Morgenröte wohnte. Sie amüsierte uns direkt, da sie darauf bestand, stehen zu bleiben, denn wir hatten keine Stühle oder Sessel, sondern uns alle auf Futons, Liegen und Kissen bequem gemacht und es würde sich nicht ziemen, auf dem Boden zu liegen; außerdem habe sie in ihrer Position die Kontrolle über alles. Nekhrun entfuhr ein leises, vergnügtes Lachen und auch alle anderen konnten sich ein amüsiertes Lächeln nicht verkneifen. Glaubte dieses naive, junge Mädchen tatsächlich hier irgendwelche Kontrolle zu haben, nur weil sie stand anstatt wie wir anderen zu liegen?

Im Gegensatz dazu konnte der letzte Gast gefährlich viel Kontrolle ausüben – sie manchmal aber auch auf Aufsehen erregende Weise verlieren – nahm jedoch überraschenderweise ohne Beschwerden Platz. Dass Sophie von Kühn eingeladen war überraschte mich sehr; dass sie auch tatsächlich erschienen war überraschte mich sogar noch mehr.

Zu Beginn des Abends stand unser Musiker im Mittelpunkt und das Thema kreiste um die Kunst an sich und ihn und seine Kunst im Speziellen. Ich fühlte mich mal wieder sehr wohl und heimisch als ich hörte wie Nekhrun und Phyllis von den Künsten sprachen; sie hatten die Herzen und Seelen von Künstlern und ich war mir sicher, dass sie selber lange Zeit Künstler waren. Ganz unauffällig und gemütlich wanderte das Gespräch vom Smalltalk, übers Kennenlernen zur Philosophie und Einstellung zur Kunst und Leben; bald hatten wir ein genaues Bild von Hernn Hauke und ihm seine Fehler aufgezeigt, neue Denkanstöße gegeben und ihn auf neue Ideen und Wege gebracht. Nekhrun lud ihn auf Haus Morgenröte ein und beschloss ihm einen Wunsch zu erfüllen. Herr Hauke wurde mir noch sympathischer als er eine Reise nach Kuba als seinen größten Wunsch nannte. Nekhrun bat mich alles zu arrangieren und stellte eine beträchtliche Summe zur Verfügung. Zu unserer Überraschung beschloss sich Lukrezia sich daran zu beteiligen; offenbar hatte sie die Konten ihres Vaters um ein Vermögen erleichtert und war weggelaufen – es steckte doch mehr in ihr, als wir zunächst vermutet hatten. Da dieses Gespräch sehr lange gedauert hatte entließ Nekhrun Herrn Hauke aus dem „Verhör“ wie er es nannte und lenkte die Aufmerksamkeit auf Lukrezia. Phyllis gesellte sich ungestört zu Herrn Hauke und ihr sinnlich-erotisches Lächeln verriet, dass das Raubtier in ihr erwacht war; es ließ mich rätseln, wer von den Beiden mehr Spaß am Rest der Nacht haben würde. Das letzte was ich mitbekam war, wie Phyllis mit sinnlicher, verführerischer Stimme Herrn Hauke darum bat, ihr ihre Stiefel auszuziehen.

Nekhrun versuchte erneut Lukrezia dazu zu bewegen, sich zu setzen, doch sie bestand auf den Anstand und ihre Kontrolle, so widmete sich Nekhrun Sophie und begann in leisem Tonfall ein Gespräch mit ihr. Calliope, die bis dahin an meine Brust gelehnt die Gespräche verfolgt hatte, nahm dies zum Anlass sich zu diesem privaten Gespräch zubeteiligen, doch bevor sie mich verließ küsste sie mich leidenschaftlich, blickte auf Lukrezia und flüsterte mir zu. „Nimm ihr ihre Kontrolle!“.

Da Lukrezia neben dem Büffet stand nahm ich dieses als Vorwand, mich genau vor ihre Füße zu hocken. Offenbar langweilte sie sich, denn sie nahm mich willig als Ablenkung: zuerst meinen Nacken, dann meinen entblößten Oberkörper und bald schlang sie ihr Bein um mich und ihr mit HighHeels verzierter Fuss suchte meinen Schritt, während meine Hände ihren Körper erforschten. Als sie sich hinter mich hockte weckte dies Nekhruns Aufmerksamkeit, den ihre Genussbereitschaft erfreute. Doch im Mittelpunkt zu stehen behagte Lukrezia nicht und sie zog mich um die Ecke in einen Teil des Salons, der vor den Blicken der anderen geschützt war. Genussvoll ließen wir uns auf ein Kräftemessen ein, sowohl mit Worten als auch mit unseren Körpern, doch als Lukrezia wiederholt stöhnte, erklang Calliopes Stimme, die uns – mich wieder zurück rief. Enttäuscht kehrten wir zu den anderen zurück. Sophies Wut und Abscheu waren nicht zu übersehen und auch Nekhrun wirkte von unserem Intermezzo nicht begeistert. Calliope gesellte sich kurz zu mir und klärte mich auf: Nekhrun versuchte Sophie zu besänftigen und die Feindseligkeiten zwischen Haus Nekhrun und Haus Hardenberg, welche im den Auseinandersetzungen zwischen Sophie und Calliope gipfelten, beizulegen. Unser „lasterhaftes Betragen“ verstimmte Sophie natürlich sehr und war den Gesprächen nicht zuträglich. Ich versprach ihr mich zu Benehmen, doch sie merkte, dass ich ihr Eifersucht unterstellte und mich langweilte. Überraschenderweise drehte sie sich zu Phyllis um, die ausgestreckt lag und etwas gelangweilt mit einer schwarzen Perlenkette an ihrem blassen, makellosem Dekolté spielte – Herr Hauke lag matt und erschöpft auf einer Liege ihr gegenüber; bis zum Ende des Abends sagte noch tat er irgendetwas.

Calliope fragte Phyllis etwas im Flüsterton, blickte mich lächelnd an und ging wieder zu Nekrhun und Sophie, während Phyllis sich zu mir wandte und mir mit einem unwiderstehlichem Lächeln die Perlenkette gab. Offenbar war das Risiko, die Situation würde hier eskalieren und Sophie Anstoß finden geringer. Zwar war die Situation zu verführerisch und die Ablenkung zu groß, als dass ich ein tiefsinniges Gespräch hätte führen können, doch brannten in mir ein paar Fragen, die ich stellen musste: sie drehten sich um Phyllis´ großes Verständnis für die Kunst und die Denkweise von Künstlern, Gedanken, die mir so vertraut waren, doch leider blieb Phyllis geheimnisvoll, ihre Antworten machten mich kein bisschen schlauer – eine Kunst, die sie sicherlich meisterhaft beherrscht. Es dauerte nicht lange und Lukrezia gesellte sich zu uns; sie war das stehen leid und legte sich an meine Seite, presste ihren jungen und knackigen Körper eng an mich. So verging der Rest der Versammlung sehr angenehm, bis wir Sophie verabschiedeten und einander noch angenehme Ruhe und viel Vergnügen wünschten – Lukrezia ging wieder mit Nekhrun mit und Phyllis nahm Herrn Hauke zu sich. Als Calliope und ich dann in zärtlicher Umarmung in ihrem Gemach lagen erzählte sie mehr von den Gesprächen mit Sophie; offenbar waren sie durchaus fruchtbar gewesen. Sophie hatte mit ihr eine Wette abgeschlossen, von der ich mir sicher bin, dass Calliope sie gewinnen wird. Auf der Eröffnungsfeier von Camillas „Club Louis“ werden wir zwar nicht erscheinen können, doch auf das Treffen am Hof der Nacht, welches danach stattfinden wird freuen wir uns schon – es wird sicherlich spannend werden...


Santiago


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