Chroniken » Chroniken II. - Die Zeit des Wandels: Berichte und Erlebnisse vom Hof der Nacht im Jahre 2005
2005.11.26 - Tsagaan Tsar: Gespräch am Kamin
01.12.2005 - 19:54

Sonntagnacht auf Haus Morgenröte

Ein heller Schein vom Kaminfeuer erhellte bereits das Zimmer, als Calliope es betrat. In einem Sessel direkt neben dem Kamin saß Santiago, umklammerte eine dampfende Teetasse und starrte verträumt ins Feuer.

„Guten Morgen. Endlich wach, Du Schlafmütze?“ Sie küsste ihn zärtlich auf die Stirn und setzte sich ihm gegenüber. Santiago warf einen amüsierten Blick zum Fenster hinaus, in die dunkle verschneite Waldlandschaft; die Sonne war bereits vor ein paar Stunden untergegangen. Sein Blick blieb an ihren weiblichen Kurven haften; sie trug nur ein Hauch von schwarzem Nichts.

„Was ist das?“ fragte Calliope, als sie den leichten, fremdartigen Duft aus der Teekanne vernahm.

„Ein japanischer, grüner Tee, eine Spezialität. AiDo hat ihn mir geschickt. Köstlich.“

Calliope nahm eine Tasse vom Teewägelchen, goss sich ein und nahm dann im anderen Sessel Platz.

„Das war gestern auch eine ereignisreiche Nacht, die Zeit verging so unglaublich schnell, wie im Zeitraffer. So viele interessante Gesprächspartner und dann Familie Asusena…“ Santiago schwelgte in Erinnerungen.

„Nicht Haus Asusena?“ wunderte sich Calliope. Santiago nahm genussvoll einen Schluck Tee und schüttelte den Kopf.

„Das stand zwar auf ihrer Einladung, sie selber sehen sich aber eher als Familie denn als ein Haus. Auf jeden Fall steckte der Abend voller Überraschungen. Dieses traumhafte Ambiente, die gefühlvolle Musik und diese märchenhafte Stimmung waren echt überwältigend.“

„Wirklich märchenhaft. Und diese ungewöhnlichen Tänze! So habe ich bisher noch nie getanzt, aber es hat mir wirklich Spaß gemacht“ stimmte Calliope zu.

„Ja, der Abend wurde viel besser als er anfing“ lächelte Santiago verträumt.

„Wieso?“ Calliope blickte vom Kaminfeuer auf.

„Kaum saß ich in der Limousine nörgelte Lukrezia schon herum und ich bedauerte, dass ich mit ihr fahren sollte. Sie wollte wissen, wo Du bleibst.“

„Was hast Du ihr gesagt?“ Calliopes sanfte Stimme bekam ungewollt einen strengen Unterton.

„Dass Du Dich noch fertig machen musst und nachkommst, was sollte ich ihr sonst sagen? Hausinterne Angelegenheiten gehen sie nichts an.“ Santiago zuckte mit den Schultern, nahm einen Schluck Tee und fuhr fort.

„Daraufhin meinte sie nur, so etwas schicke sich nicht. Was weiß sie schon, was sich schickt? Hast Du schon mal eine Camilla, eine Isabell von Xanten oder eine Owlivia auf einem Fest rein rennen sehen, kaum dass die Türen offen sind? Wohl kaum, aber über soviel Beobachtungsgabe verfügt Lukrezia ja nicht, dazu ist sie zu ungestüm. Sie glaubt, sie wüsste alles und könnte alles, hält sich für eine Dame von Welt, dabei ist sie nur eine Landpomeranze aus einer unbekannten Familie von französischem Landadel, und auch noch stolz darauf, dass sie seit Jahrhunderten Inzucht betreiben. Wer kennt die Du Couchants denn schon? Ich wette am ganzen Hof der Nacht nicht eine handvoll. Dafür gibt es, von unseren Besuchern aus Fernost mal abgesehen, wahrscheinlich kaum einen am Hof der Nacht, der meinen Familiennamen nicht kennt. Aber geh ich damit hausieren?“

Calliope lächelte amüsiert über Santiagos Temperament, sagte jedoch nichts. Er musste schon sehr aufgebracht sein, wenn er tatsächlich seine verhasste Familie erwähnte. Santiago nahm einen großen Schluck Tee, stellte die Tasse ab und beugte sich zum Kaminfeuer vor.

„Sie braucht sich gar nicht so aufzuregen. Sie wollte unbedingt diese Wette, ich stehe nicht auf Wetten. Und als Nekhrun den Wetteinsatz vorschlug, war sie ja so begeistert und wollte unbedingt diesen Einsatz annehmen, mir behagte das gar nicht. Und dann heult sie, wenn sie verliert. Wenn sie nicht verlieren kann, dann soll sie nicht wetten und sie soll nicht um Einsätze spielen, die ihr zu hoch sind. Außerdem was hat sie denn erwartet? Wir haben sie oft genug gewarnt und ich habe sie oft genug gebeten aufzuhören. Nekhrun hat es klar und deutlich formuliert: der Frieden am Hof der Nacht ist sehr empfindlich und muss gewahrt werden, darf nicht durch kindische Spiele zerstört werden. Und was macht sie? Als ob es nicht gereicht hätte, dass Isidor und Isabell auf dem Abend des Hauses Asmodeus Luzia den Status einer Ältesten, sowie dem Haus Abbadon den Status eines Hauses aberkannt und dann auch noch Lothringus jegliches Ansehen aberkannt haben und sich ein Konflikt am Hof der Nacht zusammenbraut! Nein, sie bereitet noch alles vor, um den Konflikt zu verschlimmern!
Und warum? Nur weil Lothringus sie nicht mag und nicht nett zu ihr ist! Sie selber sollte eigentlich wissen, wie oft allein auf jenem Abend ich sie gebeten, fast angefleht habe aufzuhören, sie gewarnt habe, dass wir nicht hinter ihren Taten stehen, nicht zulassen können, dass sie so weiter macht. Aber sie glaubte drei Häusern ins Gesicht lachen und tun zu können was ihr gefällt... Außerdem kann sie noch froh sein. Ich habe ihr – wenn auch schmerzhaft – beigebracht, in Zukunft vorsichtiger zu sein und Jonathan wird ihr Demut beibringen und ihren Größenwahn etwas heilen. Hätte ich sie Lothringus geschenkt, dann hätte ich weniger Ärger und wir hätten sie nie wieder gesehen.“

Santiago lehnte sich zurück und starrte ins Feuer. Calliope lächelte wegen seines feurigen Temperaments. Sie wusste, dass er nicht halb so aufgebracht war, wie es auf einen deutschen Beobachter wirken musste.

„Santiago, warum regst Du Dich so darüber auf?“ fragte sie mit süßer Stimme.

„Mit der Szene, die sie mir gemacht hat, bin ich ziemlich in Bedrängnis geraten, es haben viele zugeschaut, die nichts von den Hintergründen wussten und nun stand ich vor allen wie der Böse dar, ohne eine echte Chance es zu erklären. Ich hab mir da bestimmt ein paar Feinde gemacht. Und Nekhrun schaute nur schweigend zu und lächelte – ob zufrieden oder nur amüsiert weiß ich nicht. Er wollte zwar später ein paar Worte mit mir wechseln, doch ihm kam etwas Wichtigeres dazwischen und dann näherte sich schon der Sonnenaufgang. Ich würde mich deutlich wohler fühlen, wenn er sich zu dem Thema äußern würde…“

„Das wird er noch, keine Sorge. Du solltest inzwischen wissen, dass Geduld eine Tugend ist, an der es Nekhrun nicht mangelt und er trotz aller Leidenschaft ungern Dinge überstürzt…“ Calliope lächelte geheimnisvoll. Santiago blickte neugierig, nach Antworten oder Hinweisen suchend in ihre tiefen, sinnlichen Augen.

„Weißt Du etwas?“ fragte er hoffnungsvoll. Calliope schüttelte leicht den Kopf und versteckte ihr Lächeln hinter ihrer Tasse.
„Liebste Calliope…“ begann Santiago, doch sie stellte die Tasse energisch weg und fiel ihm sanft aber bestimmt ins Wort. Ihr Blick verriet ihm, dass eine weitere Diskussion sinnlos sei.

„Mara hat sich übrigens sehr über unser Geschenk gefreut. Sie fand es schön, uns endlich mal wieder als ihre Gäste begrüßen zu dürfen. Sie teilte mir in einem späteren Gespräch noch einmal mit, dass ich meinen Wunsch nieder schreiben solle, was ich später auch tat – Santiago, du weißt ja was ich mir wünsche, und sie kündigte mir die vielen Tänze und Vorführungen einzelner Hausmitglieder an. Oh Santiago, es war wundervoll mit so vielen zu tanzen, aber noch viel lieber tanze ich mit dir!“

„A propos Tanzen, die Asusenas haben uns zum Tango herausgefordert und zumindest das erste Stück hat sehr viel Spaß gemacht. Ich bin gespannt, welche Klänge als Nächstes erklingen werden…Und ich habe einige sehr interessante Personen kennen gelernt. Da war eine attraktive junge Frau, die mal gehört hatte, dass Vampire keine Gefühle mehr empfinden können und kalt seien und nun dieser Frage sehr ausgiebig auf den Grund gegangen ist, was sie unter anderem auch zu uns brachte. Ich hätte mich gerne mehr mit ihr unterhalten, aber es war soviel los…
Und ich habe Tatjana kennen gelernt, das junge Mädchen, das auf dem Clubabend von Camilla zur Vampirin gemacht wurde. Sie ist sehr nett und in ihr steckt viel mehr, als die meisten es ahnen. Und natürlich Flo, den Schatz des Abends. Sie ist atemberaubend und passt perfekt zu uns.“ Santiago stand auf, um sich neuen Tee einzuschütten. Calliope lächelte.

„Hmm,“ schnurrte sie genussvoll, „Du hast wohl sehr tief in ihre schönen, dunklen Augen geschaut?“

„Nein, wir haben uns nur unterhalten, aber es hat mir unheimlichen Spaß bereitet... Grins nicht so fies, auch ich weiß ein interessantes Gespräch zu schätzen!“ Santiago warf mit einem kleinen Kissen nach Calliope.

„Das weiß ich doch, lass Dich nicht aufziehen.“

„Außerdem war es natürlich schön Lucrezia mal wieder zu sehen… Lucrezia Falcone.“ Fügte er hinzu, als er Calliope's verwirrtes Gesicht sah.

„Ja, es war sehr schön, die Falcones wieder zu sehen.“ Sagte Calliope mit einem verträumten Lächeln. Santiago stand auf und nahm ein paar Esskastanien aus einer Schale im Kamin.

„Du hast Dich auch mit ihnen unterhalten?“

„Ein wenig…“ erwiderte Calliope geheimnisvoll.

„Es war eben ein sehr ereignisreicher Abend wie Du schon feststelltest…
Ja, ja, die Falcones… immer sehr darauf bedacht sich ins Gute Licht zu setzen und doch weiß man, dass sie mit ihrer Familia in geheime Geschäfte und Machenschaften wie bei der Mafia verstrickt sind, so wie alle Italiener halt...
Aber sie haben auch Ihre lüsterne, leidenschaftliche Seite und Angelo konnte sich kaum zurückhalten, er war wieder sehr neugierig und gierig, welche Dessous ich tragen würde und wäre am liebsten direkt über mich hergefallen…“Calliope räuspert sich.
“Tse, tse, tse, als wenn ein Mann mich, Calliope, so leicht um den Finger wickeln könnte…da muss ihm schon was anderes einfallen,
denn bisher zeige ich wo es lang geht… und das soll auch so bleiben.“

Calliope ließ einen leicht stolzen Blick ins Kaminfeuer wandern und fühlte sich wohl, soviel Überlegenheit und Macht zu besitzen.

„Und dann erzählte er noch, dass seine Tante, ihn zu steif findet. Ich meinte nur, er könnte uns ja mal besuchen, wir würden schon dafür sorgen, dass er lockerer wird.“ Calliope lächelte verrucht und blieb in Gedanken vertieft.

Santiago stand auf, näherte sich ihr, streichelte sanft ihren Nacken und fragte: “Was war noch?“ und hauchte ihr sanfte Küsse auf ihre helle Haut. Calliope genoss einige Momente lang die Zuwendung und sprach leise weiter.

„Was mich sehr beeindruckte war Maras Vision, sie erschien fast besessen, sie war danach sehr verändert, zog sich zurück und gab nicht preis, was sie erlebt hatte.“

Calliope nahm eine Schluck Tee und fuhr fort. „Dann habe ich da noch eine junge, verängstigte Frau getroffen, ich glaube Lilian war ihr Name, die zum ersten Mal in unserer Gesellschaft weilte. Sie hatte durch eine mysteriöse Einladung zu uns gefunden und hat dort Jonathan gesehen, den sie als Mörder ihrer 120 Jahre alten Großmutter wieder erkannte, sie hatte sehr viel Angst und suchte Schutz… und das arme Ding hat mich für eine Vampirin gehalten! Ich sagte ihr, sie solle sich amüsieren und etwas Wein trinken und den Abend genießen und wenn etwas wäre, könne sie sich an mich wenden. Oh, wie tut das gut, wenn sie so an einem hängen… einen brauchen…“ Calliope schwelgte in Erinnerungen, Zukunftsvisionen und Ideen, bis Santiago Unruhe in den Raum brachte, indem er neues Feuerholz in den Kamin legte.

Calliope bemerkte erst jetzt, dass es im Zimmer etwas kühler geworden war. Sie hatte eine leichte Gänsehaut und ließ sich von Santiago eine Decke bringen. Sie legten sich gemeinsam auf ein warmes, dickes Fell vor den Kamin und Calliope erzählte weiter von ihren Eindrücken der vorherigen Nacht.

„Dann war da noch Josephyne, die sich nicht berühren lassen wollte. Sie erzählte, dass bisher nur sie Leute berührt hat, wenn sie es wollte. Es funkelte in ihren Augen und man spürte, dass einerseits Lust und andererseits Ablehnung gegenüber Berührungen in ihr wohnten, aber ich konnte es nicht lassen, sie am Ende unserer Unterhaltung, nicht nur wie bisher mit meinem Fächer, sondern mit meiner Hand im Gesicht, am Nacken und am Arm zu streifen. Sie zuckte und erschrak… und doch hatte ich auch das Gefühl, dass sie es auch genoss…“

Mit diesen Worten drehte sie sich auf den Bauch und stützte sich auf ihre Ellenbogen, so dass Santiago einen fast freien Blick auf ihr Dekoltee und ihren wohlgeformten Busen zu Gesicht bekam, welcher nur mit dem schwarzen, seidenen Stoff ihres Negligees bedeckt war.

Mit einem ihrer anzüglichen und verruchten Blicke sagte sie: „Santiago, sag mal, hast du eigentlich mitbekommen, dass ich mich sehr mit Morgana amüsiert habe? Wir haben es uns im Turm gemütlich gemacht… und Argus, dem es doch so gefällt uns zu beobachten, durfte wieder einige Minuten bei uns bleiben und Fotos machen, und später schickten wir ihn weg… und hatten noch viel Spaß miteinander.“

Santiago bemerkte, wie Calliope's Körper erschauerte und erkannte ihre Erregung, doch er hielt sich zurück, streichelte sanft über ihren Rücken und forderte sie auf, zu Ende zu erzählen. Dabei fühlte er sich schon jetzt wieder so sehr zu ihr hingezogen, wollte am liebsten schon wieder wie auch in den frühen Morgenstunden nach dem Fest nur ihr gehören, ihr gehorchen, vor Lust beben und stöhnen und lustvolle Stunden mit ihr verbringen, doch er war zu neugierig, wie ihr Abend verlaufen war. Also versuchte er, ohne an die Leidenschaft und Ekstase des Morgens zu denken, ihrer Stimme zu lauschen, doch hatte er schon den Anfang ihrer weiteren Erzählung versäumt.

“…und dann hatte ich sie doch tatsächlich dazu gebracht einige ihrer Prinzipien abzulegen und `stimmungsvolle´ Kleidung anzuziehen, von ihrem spießbürgerlichen Äußerem und Ansichten abzurücken. Und ich habe sie sogar in einer dieser Nischen wild kuscheln sehen, obwohl sie zu Beginn des Abends noch bis zur Ehe „damit“ warten wollten… ja, ja, die Versuchung… selbst solche wie Maria und Stephan sind noch zu verändern und können einen überraschen…“

Santiago war schon wieder in Gedanken versunken und murmelte etwas von Valerie. Calliope schloss ihre sinnlichen Augen und schnurrte genussvoll mit ihrer verführerischen Stimme.

“Hmm, ja, Valerie… ein hübsches Ding, sie gefällt mir sehr und ihr Lächeln… ich denke ich werde noch viele schöne Stunden mit ihr verbringen… und sie kann so wundervoll genießen… aber Santiago, apropos genießen, machst du bitte weiter… dieser Schauer auf dem Rücken tut so gut. Und ich finde geredet haben wir jetzt genug. Ich merke doch, wie du schon nach meinem Körper schmachtest seit ich hier herein gekommen bin. Lass uns noch ein Fell holen und hier vor dem warmen Kamin bleiben, wo das Feuer die nackte Haut zum einen so schön schimmern lässt und zum anderen auch noch wärmt…“

Calliope schloss die Augen und gab sich ganz dem Genuss und Santiagos Berührungen hin…


Astarte


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