Chroniken » Chroniken III. - Die Zeit des Rades: Berichte und Erlebnisse vom Hof der Nacht im Jahre 2006
2006.02.25 - IV. Akt: Die Zukunft liegt verborgen...
04.03.2006 - 23:30

Eine Zeit lang sah ich der Schwalbe zu, wie sie mit ihrem kunstvollen Tanze durch die Luft stach. Es schien beinahe, als würde sie in ihrer Unbekümmertheit geradewegs auf mich zu geflogen kommen. Doch leider ist es vom Schicksal bestimmt, dass es eine unsichtbare Trennung gibt, zwischen Mensch und Tier.

In diesem Falle war es die Panoramaverglasung des Supermarktes, in dem ich meine abendlichen Einkäufe erledigte.

Und in gewisser Weise blickte ich bereits aus dem Jenseits auf den kleinen, munteren Frühlingsboten, der sich seines jähen Endes noch nicht bewusst war.

Ich ertappte mich dabei, wie meine Gedanken einen anderen Kurs einschlugen, Fahrt aufnahmen und Bruchteile später stand ich wieder dort, wo alles begonnen hatte.

Die Treppe aus dunklem Holz...

Meine Schritte, die hohl aus jeder der alten Stufen wiederhallten...

Sophies Hand in meiner...

Ein besonderes Bild, welches ich Isidor und Isabell zu Ehren gemalt hatte, trug ich mit stolzer Brust vor mir her. Und so waren es die Federn meiner eigenen Arbeit, mit denen ich mich an diesem Abend geschmückt hatte. Ganz zu schweigen von der Aufmerksamkeit, die Sophie mir zu Teil werden lies, indem ich an ihrer Seite schreiten durfte.

Und so tanzte ich meinen Tanze auf dem Parkett der Nacht, stach mit kunstvoller Zunge Löcher in die Stille so mancher Runde und bemerkte nicht, dass auch das Schicksal für mich eine Panoramaverglasung aufgestellt hatte. Eine Trennung zwischen Mensch und „Tier“, zwischen Erwählten und Vampir. Hinter ihr: Gaffer!

Und als die Gefahr ihren Höhepunkt erreichte, das Ende in greifbare Nähe gerückt war, alle anderen Schwalben mit dem Schrecken davon gekommen waren...

Da begriff ich, dass das Schicksal sich für mich einen anderen Weg ausgesucht hatte.

Arme Sophie! Voller Angst, Sorge und Liebe, bereit, das zu tun, was in Deiner Macht lag.

Arme Aurelia! Voller Angst, Sorge und Liebe, bereit, das zu tun, was in Eurer Macht lag.

Und Nekhrun! Was auch immer Euch bewegt hat, das zu tun, was in Eurer Macht lag.

Für einen Augenblick...im Angesicht meines Todes...band mein Schicksal Euch auf bislang unbekannte Weise zusammen.

Ich durfte weiterleben,
AURELIA durfte weiter...leben...

Würde alles gut werden?

Für meinen kleinen, gefiederten Gesellen, der sich vor dem Fenster des Supermarktes doch noch einmal wieder aufrappeln konnte, schien es jedenfalls so...

(Argus - Aus dem Leben eines Toten)


Argus


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