Chroniken » Chroniken III. - Die Zeit des Rades: Berichte und Erlebnisse vom Hof der Nacht im Jahre 2006 |
2006.04.22 - Nekhruns Einladung: Reflektionen eines ersten Kontaktes |
23.04.2006 - 16:38 |
Mein lieber Gabriel,
was war das für ein seltsamer Ort, zu dem Du mich gestern mitgenommen hast?
Ein Ort, an dem es Menschen gibt, die die freie Liebe in ihrer abstrusesten Form zu zelebrieren scheinen.
Ich gebe zu, es hat etwas Anziehendes, aber im gleichen Atemzug muss ich doch sagen, dass es mich gleichermaßen abstößt. Ist die Liebe denn nicht eine sehr intime Sache? Und sollte sie nicht zwischen zwei Menschen bleiben?
Sorgen mache ich mir um die arme Mara, die mir allen ernstes Erzählen wollte sie hätte nur das eine Kleid, wüsste nicht mehr wo sie herkäme, hätte keine Ahnung was Nylon sei.
Vielleicht sollte ich Ihr zum nächsten Treffen Kleidung aus meinem Schrank mitbringen?
Das arme, verwirrte Kind scheint mir nicht ganz richtig im Kopf zu sein. Oder willst Du mir immer noch erzählen sie wäre ein richtiger Vampir?
Ich kann und will nicht glauben, das mein Vater mit solchen „Leuten“ zu tun hatte, oder vielleicht noch immer hat?
Und wer war diese Sophie, die nicht wollte, dass ich den Ausschweifungen des Hauses Nekhrun zusehe? Im ersten Moment erschien es mir, als wolle sie mich angreifen, sie sprach von Verbrennungen in Deutschland, die stattfinden würden und auch mir zu Verhängnis werden könnten, wenn ich zu neugierig wäre. Was meinte Sie damit?
Doch dann lächelte sie wieder freundlich und verließ die Situation und somit mich.
Ach, entschuldige, ich vergaß das Du ja neben mir gesessen hast. Ich war einfach so gefangen in der Atmosphäre, das ich Dich teilweise gar nicht wahrgenommen habe, mein lieber Freund.
Im Übrigen sprach mich später am Abend ein Herr namens Argus an, der ein enger Vertrauter von Sophie zu sein scheint. Er erzählte mir, er sei Maler und würde mit dieser, nicht zu übersehenden Dame, in einer WG leben wo er seiner Kreativität freien Lauf lassen könne.
Er berichtete noch von Sophie, die den Abend für sich bereits beendet hatte und nach Hause gegangen war, dass es sich bei unserem kurzen Intermezzo wohl eher um ein Missverständnis gehandelt hätte und sie das nur zu meinem Schutz getan habe.
Schutz? Vor wem brauche ich Schutz?
Als eine Art Wiedergutmachung ließ sie mir durch diesen durchaus charmanten Herrn ausrichten, dass sie mich in die WG einladen möchte.
Ich denke, ich werde dieser Einladung folgen, denn bei dieser Gelegenheit kann ich vielleicht sehen, an welcher Art von Bildern der freundliche Herr Argus arbeitet.
Besonders beeindruckt hat mich aber das Gespräch mit der Geisha. Es war schön sich mal wieder über Japan austauschen zu können. Und beruhigend, das nicht alle in diesem Raum der öffentlichen Freizügigkeit frönen.
Auch wenn die Arbeit und Kunstform mit der sie ihr Geld verdient, in keinster Weise etwas für mich wäre, Gott bewahre, so respektiere ich doch die Art, wie sie es tut. Bei ihr erschien es mir in keinem Augenblick schmutzig zu sein. Sie respektiere ich aus freien Stücken.
Ganz anders als die französische „Dame“, die sich schon vielen Männern hingegeben zu haben schien, ohne das der Grund dafür Liebe gewesen wäre.
Des Weiteren habe ich die drei großen Ereignisse noch nicht so recht begriffen.
Zum Einen, das Mädchen das seiner Mutter (wie mir schien) entrissen wurde.
Zum Zweiten, die französische Dame, die wie Du sagtest „gebissen“ worden wäre.
Natürlich ich sah die Wunden an Ihrem Hals, aber sollten deshalb all Deine Geschichten wahr sein?
Zum Anderen der große Disput, zwischen Herrn Isidor und Herrn Nekhrun. Um was ging es da genau? Ich hatte verstanden, dass jemand das Haus „gewechselt“ hätte und man nun den Tausch einer anderen Person anstrebe.
Bitte kläre mich diesbezüglich auf, Gabriel.
Alles in Allem scheint es mir eine groteske Gesellschaft zu sein, die ich da erforschen möchte.
Eine Gesellschaft in der viele seltsame Dinge vor sich gehen.
In der Menschen wie Vieh zwischen irgendwelchen Häusern hin und her geschoben werden. Und in der Sexualität, Macht und Tod eine große Rolle zu spielen scheint.
Es erscheint mir fast so als gäbe es große Ähnlichkeiten zu, verzeih mir bitte den Vergleich, den ich auf Grund meiner geringen Erfahrung gar nicht anstellen dürfte, „Swingerclubs im Sado-Maso Stil“.
Oder solltest Du am Ende recht behalten und ich bin hier dem Rätsel um meinen Vater so nah wie nie zu vor? Handelt es sich tatsächlich um echte Vampire? Ich kann mir kaum vorstellen das es so etwas wirklich gibt, auch wenn ich all die Jahre überzeugt davon war, das mein Vater nicht verrückt war.
Jetzt da ich vermeintlich welche gesehen habe, kann ich nicht glauben, dass sie echt sein sollen.
Ich weiß, ich weiß Du hast mich gewarnt, aber jetzt wo ich auf meiner Suche soweit gekommen bin, kann ich doch nicht aufgeben, oder?
Ich will BEGREIFEN, mein lieber Freund, koste es was es wolle.
Bis bald in meiner Buchhandlung,
Deine Claire
P.S.: Grüß Camilla von mir. Sie scheint mir eine besonders geachtete Persönlichkeit zu sein. Jedem, dem ich sagte, das Du mit ihr und ich mit Dir zu tun habe, legte direkt einen freundlicheren Ton an der Tag. |
Claire |
gedruckt am Heute, 19:34 |
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