Chroniken » Chroniken III. - Die Zeit des Rades: Berichte und Erlebnisse vom Hof der Nacht im Jahre 2006 |
2006.07.22 - Der Fall des Arthur Gustav von Veil |
22.07.2006 - 22:53 |
Welch dunklen Schabernack treibt das Schicksal, wenn es mir solch bösartige Träumereien zu schicken sucht!
Welch geistesumnachtender Schatten spinnt mir tausend Teufel ums Gehirn, dass ich jede Nacht im vom Schweiß durchnässten Laken um Erlösung schreie!
War das Bacchanal Wendepunkt meines Lebens? War der Dolch in Sophies Hand, welcher beinahe schmerzlos über meinen Hals geglitten war und nichts weiter als eine blutrote Linie hinterlassen hatte, der Schlüssel zu einem Tor gewesen, welches sich jetzt nicht mehr schließen lässt? Und, stehe ich noch vor diesem Tor? Oder bin ich bereits hindurchgegangen? Da ich noch atme und mein Herz mir noch schlägt, ist es noch nicht zu spät. Doch mit jeder Nacht schwindet meine Hoffnung auf Rettung. Denn in jenen dunklen Stunden scheint das Tor von der hellen Sonne unbewacht und es setzen Wesen ihren Fuß in unsere Welt, für die zu beschreiben unser Verständnis von Sprache nicht geschaffen ist. Ich weiß es. Ich habe sie gesehen... Ich habe sie... gemalt.
Sie tragen die Kleidung der Menschen, doch was diese Kleider füllt, hat das Recht, als menschlich beschrieben zu werden, schon vor zu langer Zeit verwirkt.
Sie tragen die Namen der Menschen, und sie brüllen sie mir direkt in mein frierendes Herz, doch bleiben ihre Münder ewiglich verschlossen.
Sie tragen mich an die Orte der Menschen, doch sind diese Orte nun alt und vergessen. Und die Mütter verbieten ihren Kindern, an diesen Orten zu spielen. So wie deren Mütter ihnen verboten hatten, dort zu spielen, weil sie es damals ebenfalls nicht durften...
Sie tragen die Gedanken der Menschen, so wie die Menschen sie in den Nervenheilanstalten tragen. Zerschunden und gepeinigt vom Schmerz und dem Unheil, das man ihnen hatte zuteil werden lassen, da sie noch als Menschen auf dieser Erde wandelten.
Doch hinter all diesen schlaflosen Nächten, hinter all dem Grauen, das des nachts unter der Tür zu meinem Unbewussten hervorwurzelt, vermag ich keinen Sinn zu erkennen. Keinen Grund, keine Antwort auf ein Warum. Warum dies alles? Warum ich? Warum die unglückselige Überscheidung unserer Schicksale?
Wie der Schleier der Nacht über den Osten hereinbricht, so fällt auch der Schatten einer dunklen Ahnung über mein Gemüt. Die Möglichkeit, dass das Bacchanal nur als Katalysator einer Entwicklung diente, die ihren finstren Ursprung in dem Auffinden eines eigenartigen Siegelringes und einiger Manuskripte fand, welche ich bei einer Entrümpelung des Dachbodens meiner Eltern vor knapp zwei Jahren unter den alten Bodendielen entdeckte, lässt mich bis ins Mark erschauern. Diese Manuskripte waren niedergeschrieben worden von einem gewissen Johann von Veil, zweifellos ein Angehöriger meiner Familie väterlicherseits. Eigenartig an diesem Fund war jedoch, dass ich in der Ahnentafel, welche sich bis in das Jahr 1545 erstreckt, nie auf diesen Namen gestoßen war. Unwahrscheinlich war es jedoch, dass die Manuscripte aus einer Zeit vor dem ersten Eintrag in die Ahnentafel stammten, ließen sie doch aufgrund ihrer Hinweise und der Art, in der sie verfasst waren, auf einen Zeitpunkt gen Mitte des 18. Jahrhunderts schließen. Für mich waren besonders die Zeilen interessant, aus denen ich schloss, dass es sich bei diesem Vorfahren ebenfalls um einen malenden Künstler gehandelt haben musste.
Mich erstaunte es im weiteren Verlauf meiner Suche nicht, dass meine Eltern und Großeltern ebenso wenig über diesen Menschen wussten, wie ich, da auch sie sich nur auf die bereits zuvor erwähnte Ahnentafel berufen konnten. Beim erneuten Betrachten der Tafel war ich jedoch auf einen Umstand gestoßen, den ich vorher nicht wahrgenommen hatte. Zwischen den Jahren 1703 bis 1732 war ein Eintrag entfernt worden. Es ist ausgeschlossen, dass die Zeit diesen Eintrag zu sehr in Mitleidenschaft gezogen hatte. Nein, er war mit einem scharfen Werkzeug bis zur Unkenntlichkeit zerkratzt worden. Wer sollte soetwas tun? Und was hätten die Beweggründe gewesen sein sollen? Es ist aber nicht zu verleugnen, dass der Fund der Papiere und mein erstes Erscheinen am Hof der Nacht, welches aus einer Einladung erfolgte, die ich eines Morgens auf meinem Nachttisch entdeckte, zeitlich unmittelbar passierten. Einen kausalen Zusammenhang vermag hier niemand herauf zu beschwören, noch zu wiederlegen. Und welche Bedeutung hat dieser Ring? Der Ring, den ich auf dem Bacchanal in die Hände des Ordo Arkanum gegeben hatte und der das Schicksal und das Ende des Einen besiegeln sollte. Der Ring, den ich schließlich selbst aus einer verschlossenen Hand des Ordo wählte und damit mein eigenes Schicksal besiegelte. Ich bin keineswegs abergläubisch, doch eine Vermutung, dass hinter diesen Geschehnissen eine Absicht steckt, ließe sich sicherlich an manchen Lagerfeuern dazu verwenden, auch hartgesottensten unter uns eine Gänsehaut zu entlocken. Wenn die dunklen Träume der letzten Wochen jedoch aus dem Nahtodererlebnis des Bacchanals hervorgegangen sind, und dieses wiederum ein Ergebnis meines Fundes und meiner Nachforschungen sein soll, so bleibt mir - will ich je wieder ruhig schlafen können - keine andere Wahl, als meine Suche nach Johann von Veil und dem Grund, warum es jemand für nötig gehalten hat, sämtliche Hinweise seiner Existenz aus den Archiven zu löschen, zu Ende zu führen.
Gott stehe mir bei....
(Argus - Aus dem Leben eines Toten) |
Argus |
gedruckt am Heute, 23:22 |
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