Chroniken » Chroniken IV. - Die Zeit des Aeons: Bericht und Erlebnisse vom Hof der Nacht im Jahre 2007
2007.05.25 - Eine Reise ins Ungewisse
03.06.2007 - 02:19

"Auf dieser persönlichen Queste darf Dich nur ein Erwählter begleiten, der die Formalitäten abwickeln wird. Nun, auf Grund der Tatsache, dass ihr auf den Spuren unserer Vergangenheit vieles über unser Haus erfahren werdet – oder zumindest könntet, muss ich darauf bestehen, dass Du als Begleitung jemanden auswählst, der den Bluteid auf unser Haus geleistet hat und dem unser volles Vertrauen gilt. Ich vermute jedoch, dass dies keine Einschränkung für die Person Deiner Wahl darstellt."

Die leise, laszive Stimme des alten Vampirs klang amüsiert. Sein Blick bestätigte, dass er genau wusste, dass die Wahl bereits getroffen war und wie sie lautete. Auf dem jungen Gesicht seines Gesprächspartners umspielte ein nachdenkliches Lächeln die Lippen, wie das eines Schelms, dem gerade ein Streich in den Sinn kommt. Für einen Augenblick, so kurz, dass kein menschliches Auge es hätte wahrnehmen können, sprang sein Blick vom Gesicht seines Ahnen zu dem maskierten Mann in adrettem Smoking neben der Zimmertür. Der alte Vampir lachte herzlich auf.

"Oh nein, ich befürchte diese spezielle Wahl kann ich nicht gestatten! Sei es nun, weil Daedalus zu viele der Geheimnisse, die es zu entdecken gilt, bereits kennt oder weil ohne ihn einige Belange in diesem großen Haus Gefahr laufen würden, sagen wir, ins 'stocken' zu geraten... Was für ein Glück also, dass Deine Wahl ohnehin nicht auf ihn gefallen ist, nicht wahr? Aber die günstige Gelegenheit meine Reaktion auf diesen Vorschlag zu testen hast Du Dir ja nun geschickterweise nicht entgehen lassen."

Selbst bei wichtigen Angelegenheiten bewahrte der Hausälteste gern seinen Humor. Sein Gegenüber nickte.

"Seid euch im Klaren darüber, dass dies kein Urlaub und auch kein Vergnügen sein wird. Ihr werdet bei dieser 'Bildungsreise' in unsere Vergangenheit rund ums Mittelmeer vielerlei gewohnte Annehmlichkeiten missen, dafür aber viele Entbehrungen und Schwierigkeiten in Kauf nehmen müssen. Ihr solltet nur mit wenig, pragmatisch orientiertem Gepäck reisen und eher auf alle Eventualitäten als auf euer Äußeres bedacht sein."

Sein Gegenüber blickte erstaunt und amüsiert auf, lächelte bei der Antwort selbstsicher.

"Das sagt Ihr mir? Aus einem Haus voller Luxus habe ich für ein neues Leben nur einen winzigen Rucksack gepackt und habe auf der Strasse gelebt. Das Leben hier genieße ich, doch es hat mich nicht verzogen gemacht."

"Gut, denn das darf es ja auch nicht. Es ist mehr als wichtig, niemals die Essenz der Dinge aus den Augen zu verlieren."

Trotz des Lächelns auf seinen Lippen machte die Stimme des Hausältesten klar, wie wichtig ihm dieser Punkt war. Wie so häufig lief das Gespräch in etwa so, wie er es erwartet hatte. Wenn man lange genug gelebt hat werden manche Dinge im Ansatz berechenbar.

"Ach ja, eines noch: Packt dennoch einen Satz angemessener Abendgarderobe samt passender Accesoires ein - ihr werdet sie brauchen. Zumindest wenn es euch gelingt die 'richtigen' Personen ausfindig zu machen. Oder wenn diese auf euch aufmerksam werden sollten. Und gemäß euer beider speziellen Talente bin ich in diesem Punkte mehr als optimistisch!"

Die sinnliche Schönheit im Sessel zu seiner rechten blickte voller Stolz auf ihren Schützling. In Windeseile hat er sich von einem Straßenjungen zu einem intelligenten, gebildeten Mann entwickelt; vom unbekümmerten Genießer zu einem engagierten Suchenden, von einem leichtlebigen Salsa-Tänzer zu einem geschickten Tänzer auf dem Parkett des Hofes der Nacht. Seinem Familiennamen machte er inzwischen alle Ehre, auch wenn er mit seiner sterblichen Familie nichts mehr zu tun hatte – sein Haus war schon seit langem seine Familie. Er war ganz wie sie – die Diplomatentochter. Und seine Entwicklung verdankte er ihr. Sie verspürte Stolz und Befriedigung wie selten zuvor. Er würde seine Aufgabe hervorragend meistern. Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, als der Hausherr fortfuhr.

"Nun, es haben sich einige besondere Entwicklungen ergeben, die ich in vollem Maße auszunutzen gedenke - was mich dazu bewog Eure Reise vorzuverlegen. Du sollst schon am Sonntag Abend abreisen. Dies bedeutet leider, dass unsere liebe Callisto bereits am Samstag abreisen muss, um Dir vorauszueilen und sich um einige Notwendigkeiten zu kümmern. Es ist natürlich bedauerlich, dass ihr dadurch die Gastfreundschaft des Hauses Fox entgehen wird, auf die wir alle so gespannt sind, doch müssen wir hier Prioritäten setzen. Unser Haus wird sowieso nicht vollständig Haus Fox die Aufwartung machen können zumal Vicente noch mit Pia in Israel
ist. Aber genug für heute, jetzt solltest Du zu Callisto gehen und mit ihr sprechen. Doch bedenke, es ist allein ihre freie Entscheidung, ob sie Dich auf der Queste begleiten will, frag sie also freundlich!“

"Also, Nekhrun, ich bitte Euch, was denkt Ihr denn von mir? Natürlich wird sie es selbst und frei entscheiden, ob sie mitkommt oder nicht."

"Ich wollte nur sicherstellen, dass Du das bei aller Aufregung, gespannter Erwartung und lauter Vorfreude nicht eventuell vergisst...", sprach der Hausälteste bedächtig, die Züge umspielt von dem provokanten Lächeln einer Hyäne.


Sin


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