Chroniken » Chroniken IV. - Die Zeit des Aeons: Bericht und Erlebnisse vom Hof der Nacht im Jahre 2007 |
2007.08.18 - Auf Messers Schneide: Einer ist von uns gegangen |
20.08.2007 - 19:46 |
Über den Zinnen der Burgen und Klöster, der Ländereien der Samaria hängen Fahnen auf Halbmast. Sie ziert ein blutender Drache. Choräle und gregoriansche Gesänge in den Kirchen, die Glocke läuten um Großmeister Tschesar die letzte Ehre zu geben.
Eine Kapelle:
In der Mitte ein Podest auf dem Tschesar eingehüllt in die Flagge des Hauses Samaria liegt, links und rechts flankiert von je drei in Ordenstracht gekleideten geprägten Mönchen mit Fackeln. Leise Orgelmusik im Hintergrund. Davor die Mitglieder des Hauses Samaria.
Philippe spricht in einem leisen von Tränen erschütterten Ton eine Rede, die die Werke Tschesars würdigt, den tapferen Kampf den er geführt hat...verloren hat. Langsam dreht er sich herum und geht aus der Kapelle. Er bittet den treuen Diener Tschesars, den anderen geprägten Bewohnern der samarischen Ländereien kund zu tun, dass Tschesar hier aufgebahrt liegt und nun die Möglichkeit besteht ihm die letzte Ehre zu erweisen.
Daraufhin verlässt der Bote den Hof um die Nachricht weiter zu tragen.
Philippe betritt erneut die Kapelle und geht zu den Anderen, schließt sie in seine Arme um ihnen Trost zu zu sprechen, versichert ihnen, dass es weiter geht, dass das Haus Samaria niemals unter gehen wird.
Trauerrede Philippes:
Je schöner und voller die Erinnerung,
desto schwerer ist die Trennung.
Aber die Dankbarkeit
verwandelt die Qual in Erinnerung
in eine stille Freude.
Man trägt das vergangene Schöne
nicht wie ein Stachel,
sondern wie ein kostbares Geschenk in sich.
Wohl kaum mehr als 30 Jahre alt war Jesus, als sein Tod beschlossen worden war. Jesus wusste, was auf ihn zukommt. Nicht in der abstrakten Weise, in der jeder von uns weiß, dass er eines Tages sterben wird. Dieser Tod ist konkret. Jesus erlebt, dass andere über sein Leben verfügen, dass es ihm aus der Hand genommen wird, dass der allgemeine Tod seine Hand nach ihm ausstreckt und ihm nichts erspart. Ob ich es mir oder anderen wünschen möchte, so zu wissen, dass das Ende nah ist? Ob wir einen Menschen glücklich schätzen dürfen, weil der Tod ihn schnell und ohne langes Leiden ereilt hat? Für uns, die wir leben und sehen, wird es dadurch nicht leichter. Gerade wenn es so unvermittelt und unzeitig kommt, würgt die Erfahrung am Eigenen: Das Leben wird uns aus der Hand genommen und lässt so viel Leere zurück.
Das Kostbarste, was uns Menschen möglich ist, ist die Sorge für einen anderen. Es ist das Menschlichste und Göttlichste. Es ist auch etwas Zerbrechliches. In der Sorge um einen anderen Menschen erfahren wir unsere Grenzen und die Grenzen des anderen.
In den langen Jahren deines Schaffens hast Du Tschesar das erfahren. Du hast für andere Sorge getragen, in guten und in schweren Tagen. Du hast in bewusster Entscheidung gemeinsam Sorge auf Dich genommen für Deine Kinder und für die Menschen, die Dir anvertraut wurden. Du hast erfahren, wie Dein Leben damit tief in das Leben eines anderen greift - und das Leben eines anderen Menschen tief in das Deine.
Am vergangenen Freitag habe ich das Haus Samaria. erstmals wirklich kennen gelernt. Ich bin vor einem Haus gestanden, dass für die Familie ein Zuhause sein sollte, nicht für einen Lebensabend, sondern für einen neuen Abschnitt im Leben. Wir hatten in diesem August Pläne geschmiedet, ein Leben vor uns gesehen, lebensfroh, voll Zuversicht. So nah, so unausweichlich mussten wir erfahren, dass Dir das Leben aus der Hand genommen wurde.
Die griechischen Philosophen hatten Gott einen "unbewegten Beweger" genannt. Einen, der alles bewegt und bestimmt. Gott sei nur als ein Allmächtiger, Unbewegter denkbar. Wie sollte denn nicht der, wenigsten der, der das ganze All geschaffen hat, der der Ursprung der Welt ist, nicht allmächtig sein, Weltenherr und Weltenlenker.
Vor zwei Monaten sah ich einen Puppenspieler. An Fäden aufgehängt spielte er mit Marionetten. Nie hätte ich gedacht, dass jemand in die Bewegung von Holzpuppen mit ihren starren Gesichtern so viel Bewegung, so viel Ausdruck legen könnte. Seine Puppen erlebten das Drama des Lebens und waren voll Gefühl und Wärme. Nur der Puppenspieler selbst war davon nicht betroffen. Konzentriert aber distanziert zog er mit gelenkigen Händen die Fäden, an denen seine Puppen ihr Drama lebten. Der Puppenspieler ist einer, der alles bestimmt und in der Hand hat. Er ist einer, der die ganze Klaviatur des Gefühls beherrscht. Er kann in das Bewusstsein seiner Puppen einsteigen und durch sie alles ausdrücken, alles erreichen, allmächtig werden. Aber er selbst bleibt unberührt.
In der Tat bekennt die Kirche der Christen in ihrem Glaubensbekenntnis: "Wir glauben an Gott, den Vater, den Allmächtigen". Gott hat es gewollt, ist dann die alles erklärende, alles entschuldigende, alles erschlagende Antwort eines solchen unerschütterlichen Glaubens.
Gott ist verwundbar. Wo Gott die Welt erschafft, den Dingen Leben gibt, Menschen seinen Atem gibt, da setzt Gott selbst sich eine Grenze und macht sich berührbar, verwundbar.
"Gott ist die Liebe". Diesen Satz haben wir schon so oft gehört, ihn vielleicht manches Mal gesprochen. Hier erst, am Sarg wird deutlich, wie wenig dieser Satz sagbar ist. Denn hier am Sarg erleben wir, hier erlebt jeder, der Dir nahe stand, dass Liebe verwundbar macht. Die Größe Gottes ist nicht die Allmacht eines Puppenspieles, des unbewegten Bewegers. Die Größe Gottes ist seine Liebe.
Diese lässt Gott selbst an Grenzen stoßen. Das Kreuz ist seit zweitausend Jahren das Symbol dieser Grenze. Es ist das Symbol Gottes, der sich auf die Zerbrochenheit der Welt eingelassen hat. Es ist das Symbol des Allmächtigen der ohnmächtig geworden ist. Aber gerade in dieser Ohnmacht zeigt sich das Göttliche von Gottes Liebe, denn sie ist selbst an der schmerzvollen Grenze unerschöpflich. Selbst an der Grenze des Todes ist diese Liebe nicht am Ende. Das Kreuz über dem Grab Tschesar wird zugleich Zeichen der Hoffnung sein, dass die Liebe selbst diese Grenze überwindet. Es wird zum Zeichen der Auferstehung.
Was uns heute bleibt, ist nichts anderes, als was die Frau damals in Betanien getan hat. Sie hat den Leib Jesu gesalbt. Dieses stumme Zeichen drückt ihre ganze Sorge und ihr Verstehen aus. Es ist das Zeichen einer Liebe, die die Grenze schmerzvoll erfährt, aber daran nicht ihr Ende findet. Es ist das Zeichen einer ebenso ohnmächtigen wie unerschöpflichen Liebe. Diese Frau ist damit Gott so nahe, wie es ein Mensch nur sein kann.
Behalten wir das Bild eines liebenden Mannes, eines wahren Ältesten und Großmeisters des Hauses Samaria in unseren Herzen. Tragen wir das vergangene Schöne nicht wie einen Stachel in uns, sondern wie das kostbare Geschenk einer Verheißung.
Der Tod ist nicht die Grenze, wo die Liebe ihn überwindet.
Ohnmächtig, allmächtig.
Ruhe sanft mein Freund und Bruder
Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes
Amen. |
Philippe |
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