Chroniken » Chroniken IV. - Die Zeit des Aeons: Bericht und Erlebnisse vom Hof der Nacht im Jahre 2007
2007.08.18 - Auf Messers Schneide: Aus Shawnas Tagebuch
22.08.2007 - 15:36

Ob ich zurück will?

Fort von hier, weg vom Hof der Nacht? Was für eine Frage! Die Frage ist doch wohl eher, ob ich überhaupt noch zurück KANN!

Nein, ich habe mich entschieden.

Ich gehe weiter. Zuviel habe ich gesehen in Bremen, und zu viel jetzt. Ich wurde Zeuge von etwas, das, wenn man den Geschichten glauben darf, jahrhundertelang nicht geschehen ist. Ich habe einen Hadestanz gesehen.

Doch war dieses Duell wirklich das, was ein Hadestanz sein soll? Ein Duell bis zum Tod mit strengen Regeln, ein Ritus mehr als ein Kampf? Soll es SO sein?

Ich bedaure es zutiefst, dass ich kaum Gelegenheit hatte, Tschesar näher kennenzulernen. Und wäre nicht diese mysteriöse Dame mit den zwei Kugeln und dem regenbogenschillernden Kleid gewesen, ich hätte es wohl auch dieses Mal nicht gewagt, ihn, einen Hausältesten, anzusprechen. Aber ich sprach mit ihm genau wie ich mit Asphyx sprach, fragte sie nach ihren Gründen, fragte, mehr, als es einer Sterblichen wie mir vielleicht zustehen mag. Und ich bekam Antworten. Ich habe viel gelernt in diesem kurzen Moment, den ich mit Tschesar sprechen konnte. Vieles, das mich nachdenklich macht. Vieles, das noch mehr Fragen aufwirft.

Der Kampf lässt mich nicht mehr los. Schließe ich die Augen, sehe ich die Kämpfer, sehe ich, wie sie einander wie wilde Tiere umkreisen, einander anspringen, ausweichen - tanzen. Sehe das erste Blut fließen. Das zweite. Sehe eine Klinge, die sich durch Kleidung und Haut bohrt, ohne eine Wunde zu hinterlassen. Sehe die Sekundanten und frage mich, warum im Namen der Göttin greifen sie nicht ein? Sehe Tschesar fallen - und jedesmal, wenn ich mich erinnere, kommen mir die Tränen, wie an jedem Abend, als ich neben der schwarz verhüllten Gestalt eines in Ehren gefallenen Streiters knie, um ihm Repekt zu zollen und eine Rose niederzulegen.

So viele Fragen.

Und nie werde ich Asphyx Worte vergessen, die er sprach, wenige Augenblicke nachdem er gesiegt hatte.

"Wenn es das ist, was ihr wollt, dann folgt mir."

Ist es das, was der Hof der Nacht will? Blut, und noch mehr Blut?

Es erschreckt mich. Aber es schreckt mich nicht ab.

Ich habe schon zu viel gesehen. Ich gehe weiter, weiter in die Dunkelheit, stelle meine Fragen, suche und beobachte - und warte auf meine Stunde.


Shawna


gedruckt am Heute, 04:16
http://www.theater-der-vampire.de/include.php?path=content/content.php&contentid=803