Chroniken » Chroniken VI. - Die Zeit der Toten: Berichte und Erlebnisse vom Hof der Nacht im Jahre 2009 |
2009.01.01 - Sylvester |
03.01.2009 - 12:46 |
Andere feiern sicherlich schon ein rauschendes Sylvesterfest, doch die junge Frau war allein in der Kühlkammer und arbeitete. Zumindest versuchte sie es. Es war 21:00 Uhr, er würde bestimmt schon auf sie warten. Noch schnell das Formalin in den leblosen Körper hineinpumpen, den Verstorbenen sorgfältig abdecken und ahhh - eine Zigarette.
„Tja, mein Guter, dann wünsche ich Dir einen guten Rutsch ins neue Jahr…“
Sie prostete dem Verstorbenen mit einer Coke zu, legte dann ihr Werkzeug beiseite und legte dann das Tuch über den toten Mann. Wie muss der wohl damals Sylvester gefeiert haben? Laut Pass war er 1912 geboren. Sie krauste ihre Stirn. Wie würde er wohl jetzt aussehen? Ach, sicherlich schon verwest und zu Staub zerfallen. Aber er sah aus wie ein junger Gott, trotz seines Alters, welches sie nicht genau wusste, aber auf ca. 200 oder mehr schätzte.
Bittere Kälte umgab sie, als sie zu ihrem Auto ging. Es war eine sternenklare Nacht. Ihr Atem war deutlich zusehen, sie fröstelte sehr auf dem Heimweg. Sie musste allerdings noch an der Tanke halten, um noch etwas zu trinken zu kaufen.
Drei Asti Cinzano, zwei Flaschen Cola, eine Tüte Chips, vier Mars und eine dicke Zigarre sowie drei Päckchen John Player Black. Bis morgen Mittag dürfte das reichen.
Sie kannte den Weg zu ihrem zu Hause fast blind, fuhr in diesen kleinen Feldweg rein, welcher sich nach einer Weile fast verjüngte. Dann noch knapp 10 Minuten durch die „Walachei“ und dann endlich zu Hause…
Die Villa sah wie immer düster und unbewohnt aus, sie parkte ihren Wagen hinterm Haus. Niemand zu Hause, dachte sie sich und ging erstmal in den Salon. Nicht mal Alfons war da. Komisch, dachte sie. Wo steckte bloss der Herr des Hauses? Sie warf ihren Mantel achtlos auf eines der beiden großen Sofas, nahm sich eine Decke und schnappte sich die Fernbedienung. "Na toll, so habe ich mir Sylvester nicht vorgestellt. Andere machen Party, ich sitze hier alleine in der Bude…"
Doch nach der ersten Flasche Sekt und zwei Mars später gegen 23:30 Uhr ging es ihr etwas besser - zumindest ihre Stimmung war etwas aufgehellt. Und gleichzeitig dachte sie nach… Warum war sie so wie sie war? Warum liebt sie ein Wesen, dass es eigentlich nur in ihrer Fantasie gibt? Nein, es gibt diese Wesen tatsächlich. Und sie will schliesslich selbst einmal so werden, wie er. Liebt er mich überhaupt? Er muss mich lieben, sonst hätte er mich getötet - das klingt logisch… Er hasst es, wenn ich trinke und Drogen nehme - vielleicht weil er neidisch ist, dass es bei ihm nicht wirkt?
Nein, dachte sie sich… Das muss aufhören! Ich werde 2009 versuchen, damit aufzuhören, ihm zuliebe.
Noch 10 Minuten bis zum neuen Jahr, allein saß sie da. Trotz des Alkohols war sie klaren Verstandes, ihre Stimmung wurde zunehmends melancholischer. Sie lümmelte sich allein in eine flauschige Decke gehüllt auf dem riesigen Sofa und starrte auf den Fernseher. Die Menschen in Berlin feierten eine Riesenparty, wie gern würde sie auch mal so feiern. In den letzten Jahren war sie immer allein.
Die Tür öffnete sich leise, ihr Herz schien vor Freude zu zerspringen. Sie eilte in den Korridor, um ihren Liebsten zu begrüßen. Tränen der Freude und Erleichterung rannen über ihr Gesicht, als sie den Herrn des Hauses umarmte.
Sylvester war doch noch gerettet…. Sie war nicht mehr allein. Zumindest bis zum Sonnenaufgang.
Auf ein gutes, neues Jahr 2009… und auf das all meine Wünsche in Erfüllung gehen… |
LucitaMariaMedina |
gedruckt am Heute, 20:59 |
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