Gästebucheintrag |
Wiedergeburt |
eingetragen am 03.04.2005 - 17:42
von Etienne |
„Wozu noch warten?!“, fragte sie mich lächelnd.
Wozu noch warten?
Nur der Tod stellt diese Frage so unbefangen, wollte ich sagen. Es gibt immer einen Grund zu warten, wollte ich sagen.
Es ist falsch, das Unvermeidliche hinauszuzögern, würde sie dann vielleicht antworten.
Und ich würde ihr widersprechen: Nein, es ist das einzig Richtige, denn danach wird sich alles ändern. Habe ich jetzt mein jetziges Leben ganz ausgekostet?
*
Ich weiß es nicht –
Aber ich schwieg.
Ich schaute eine Weile in ihre Augen. Ich sah zwei Sterne aus schwarzem Perlmutt, deren Last zu schwer für meine Schultern war.
„Wozu noch warten?“, wiederholte ich nach einem tiefen Atemzug. „Bringen wir´ s hinter uns.“
Sie umarmte mich mit ihren schwarzen Schwingen, ihre Federn liebkosten meinen Körper, während sie mit ihren Händen über mein Gesicht strich.
„Sorge dich nicht“, flüsterte sie mir zu. „Es sind bloß Schmerzen.“ Ohne jegliche Vorwarnung fesselten mich plötzlich ihre Flügel, als wollten sie mich an einer Flucht hindern. Ich wehrte mich nicht. Sie drückten mich an den Körper des schwarzen Engels, die zarte Umarmung verwandelte sich in ein düsteres Gefängnis.
„Bloß Schmerzen“, stöhnte ich, als sich ihre Finger in mein Gesicht krallten. Trotz der gleißenden Schmerzen fühlte ich noch ihren Herzschlag auf meiner Haut.
Die Konturen ihres Gesichts verschwammen vor meinen Augen. Bevor ich erblindete, erkannte ich in ihren Augen eine Art von Mitgefühl, die ich jedoch nicht sofort verstand. Diese Anteilnahme schien von etwas durchsetzt zu sein, das seinen Ursprung in einem bodenlosen Abgrund hatte, in den ich hineinstürzte.
Als wäre sie der Schmerz, den ich mit Liebe auf mich genommen hatte.
Als liebt ich sie, und als überließe sie mich liebevoll dem Tode.
Als wäre dies ihre Art, meine Liebe zu erwidern.
„Ich liebe dich“, sagte ich leise.
„Dann trage mich in dein Herz“, bat sie mich.
Ich ließ jegliches Leid in mein Herz fließen und schloss meine Liebe zu ihr mit ihm dort ein. Sie vereinten sich dort und verschmolzen miteinander. Was ich nun in meinem Herzen trage, ist nichts, was du begreifen könntest, Kind Gottes.
Mein Körper ist nun unsterblich wie der anderen Verdammten, die nicht mehr Teil deiner Welt sind.
Doch beneide uns nicht wegen unserer Unsterblichkeit, wir sterben auf eine andere Weise als ihr und sind dazu verdammt, unseren eigenen Tod zu betrauern.
Wir sterben nur noch in Erinnerungen. |
gedruckt am Heute, 23:57 |
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