2018.01.13 - Winterfunkeln: Aus den Aufzeichnungen einer Ältesten |
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Gibt es etwas, das flüchtiger ist als Schmerz?
Wie bereitwillig unser Kopf die Erinnerung daran verdrängt, wie unsere Seelen ihn verbergen wollen! Wie könnten wir auch sonst bei Verstand bleiben? Doch jede Verletzung will heilen, und die Narben die zurückbleiben überdeckt keine Kosmetik. Wir können nur wachsen, oder zerbrechen.
Was weiß ich schon von Schmerz? Ich weiß was man mich gelehrt hat, in der Theorie, wie auch in der Praxis. Ich weiß was ich in seinen Augen gesehen habe in dieser Nacht. Geht es so Angelico, wenn er seinen Blumen beim wachsen zusieht? Doch Alexander bei diesem Wachstum zuzusehen, zu beobachten, wie er sich mit jedem Schritt um Würde bemüht, an jede Grenze geht die ich im aufzeige, sie überwindet und sich die nächste sucht… was für ein Rausch! Wie stolz er mich gemacht hat, als er an diesem Abend über die Türschwelle hinaustrat! Und was für eine Tortur!
Vergib mir, César, aber ich weiß nicht, ob ich für dich diesen Weg gegangen wäre. Auch ich wurde geprüft, doch wie können wir je wirklich unser Leid mit dem eines Sterblichen vergleichen? Das Wissen um die Vergänglichkeit ist der Stein, der jede Klinge schärft, mit der man sie schneidet. Für uns hält wohl nur das Feuer eine ähnliche Qual bereit, doch ist diese nicht immer auch gepaart mit der unwillkürlichen Hoffnung auf eine Erlösung, und wenn es vielleicht nur die einer unendlichen Dunkelheit ist?
Aber wer weiß schon, was wirklich hinter den Flammen liegt für uns. Mein Glaube ist nicht mehr so fest wie er einmal war - tatsächlich ist nur noch sehr wenig davon übrig. Aber ich habe etwas anderes gefunden, in der Familie die mir geschenkt wurde...
Er schläft jetzt endlich, doch seine Züge tragen noch die Spuren der letzten Stunden, so wie sein Körper die Spuren seiner Reise trägt. Wie wenig ich ihm zutraute, als ich ihm nur drei Lehren auftrug. Immer wieder übertrifft er meine Erwartungen, fast als wollte er provozieren, dass ich ihn... was? Was kann ich erreichen, wenn er nicht zerbricht? Was für eine wundervolle Monstrosität könnte er werden? Welche Vollkommenheit erreichen? Aber wie viel filigrane Gewalt braucht es, um einen solchen Diamanten zu schleifen? Besitze ich wirklich das nötige Feingefühl, die nötige Kraft?
Ich sehe ihm beim schlafen zu, bilde mir ein ich könnte sehen, wie seine Wunden heilen, das meine Anwesenheit vielleicht beschleunigt, was mit Hilfe des Blutes so schnell überstanden wäre. Auch diese Hilflosigkeit ist eine Art von Schmerz. Wir nehmen keine Abkürzungen, denn jeder steinige Weg ist ein Geschenk. Aber die Zeit wird vergehen, und sein Körper wird von selbst heilen.
Seine Seele zu versorgen... das wird die eigentliche Herausforderung.
Und ich freue mich darauf. |
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Datum: |
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15.01.2018 |
Autor: |
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Vania Juarez-Moreno |
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