2018.11.17 - Per Speculum: Gedanken in der Nacht |
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Sie saß auf dem nackten Steinboden, der Glanz der vergangenen Nächte war vergangen. Der Keller unter der Kapelle fiel wieder in seinen Dornröschen-Schlaf.
Vergangen die Gespräche, die Gefühle, das Blut, welches vergossen wurde. Leise wisperten die Stimmen noch immer, doch trotzdem genoss sie die Stille. Hier hörte sie keinen Herzschlag, hier hörte sie nur das, was sie hören wollte, hier kamen ihre Gedanken zur Ruhe.
Ihr Blick glitt zur Decke, beobachtete die Spinnen, die schnell wieder ihre Netze ausbesserten, sie wieder vollendeten
Vollendet, das Wort der vorletzten Nacht.
Wie blind sie war, als dieser Geist auftauchte, sie kannte doch die Zeichen, sie wusste doch, wie es ablief. Hatte es oft genug selbst gesehen. Und dennoch, auf diesen Gedanken kam sie nicht. Kein Erinnern, als die Frage nach Blut auf kam, kein Erkennen, als er sie schnitt. Selbst Louis' Anwesenheit brachte sie nicht auf die richtige Idee.
Das Kleid raschelte leise, als sie ungläubig den Kopf schüttelte.
Wie einfältig und naiv sie gewesen war.
Ja, das es nicht ewig klappen würde, war ihr bewusst gewesen, Nairu zählte einfach nicht. Und jetzt, ja jetzt war der Vertrag erfüllt.
Noch immer fühlte sie den Schmerz, noch immer schien sie die Panik zu erfüllen, die sie an dem Abend spürte, als das Ritual vollzogen wurde.
„Keine Kreise, keine Fehler“, mit einem süffisanten Grinsen auf den Lippen. Ha, da sollte noch jemand sagen, er wäre emotionslos.
Katharina, mehr als ihren Namen wusste sie noch nicht. Nur dieser Name und diese unglaubliche Enge. Sie sog heftig Luft in ihre Lungen, als könnte es helfen das Gefühl zu vertreiben, doch diese Hoffnung war vergebens, es würde Zeit brauchen.
Sie sah auf die Stelle, an der Lyra am Boden kniete, vor ihr, voller Leid, ihr Herz brach, wie immer, wenn sie sie so sah. Kein Trost, keine Erleichterung, auch wenn es nichts zu Verzeihen gab. Diese Entscheidung war schon vor langer Zeit getroffen worden.
Ihr Blick wanderte weiter zu der Stelle, an der der Tisch gestanden hatte, an der Sam das Spiel verloren hatte. Eigentlich alles, eigentlich endgültig, doch Maximilian hatte die Regeln gelockert. Sie wusste sehr genau warum.
Ein Lächeln erschien bei dem Gedanken auf ihrem Gesicht, erstaunlich, wie sich manche Dinge entwickeln können. Sie hatte nicht damit gerechnet und selbst in dieser Nacht befahl sie sich selbst, abzuwarten, Zeit verstreichen zu lassen, Die vergangene Nacht hat mit ihrem eigenen Zauber einiges gezeigt, einiges offenbart. Wer die Zeichen lesen konnte, würde sich glücklich schätzen, wer nicht, wäre nur verwirrt.
Oh ja, die Teeparty zu Ehren ihrer Erschaffungen und so vieler weitere Momente.... So ganz anders, so ganz ungewohnt, jeder, der in den Keller kam, war verändert. Manche Altlasten können tatsächlich auch Spaß machen. Mal als Gastgeber vorne zu stehen, die Königin zu sein, ihren Bruder an ihrer Seite.
Sie lacht laut auf, so viele Momente, die sie selbst erstaunt hatten.
Tee, Kuchen, Schmetterlinge, Rosen..... so viele Bilder, die vor ihrem Auge wieder aufleuchteten. Die Geschenke, unglaublich, wundervoll, eine Nacht, wie sie sie wohl nie wieder erleben würde.
Im nächsten Augenblick fielen ihr die Karten wieder ein:
Kelche, Stäbe, der Prinz der Schwerter, die Liebenden.
Oh ja, sie wusste sehr genau, was sie bedeuten sollten, was die Karten ihr sagten, aber alles musste sie ihnen ja nicht auf die Nase binden. Oh ja, sie waren Krieger, und sie haben sie stark gemacht, zerschmettert, aber wieder auferstanden. Selbst erstaunt, wie entspannt sie darüber reden konnte, wie sie all ihr Leid und ihrer Erfahrungen zusammen fassen konnte. Mitgezählt hatte wohl keiner. Ein heiseres, freudloses Lachen entschlüpfte ihrer Kehle. Selbst jetzt rang sie wieder mit den Tränen, bei den Erinnerungen, die sie überfielen. Für einen Moment schloss sie die Augen, ganz allein in ihrer Vergangenheit.
Als sie die Augen wieder aufschlug, lag ein roter Nebel über ihrem Blick, fast wir in der Nacht zuvor. Diesmal Trauer, nicht Wut und Verlangen wie zuvor.
Oh ja, alles verändert, innerhalb weniger Minuten. Er fragte sie und die Antworten waren nichts wert, nichts. Dann spielte er mit ihr, lies sie bluten und mit jeder Sekunde dröhnten die Herzschläge lauter in ihren Ohren. Der Duft in ihrer Nase entfachte ihren Hunger, doch eigentlich sollte der Mensch überleben...... Sie versuchte zu fliehen, sich zu verstecken, doch überall waren sie, überall dröhnte es in ihren Ohren, peitschen ihr Verlangen an.
Als das Messer ihr Fleisch zerteilte, endete ihre Qual. Heißes Blut auf ihren Lippen, kalter Stein unter ihren Händen, für einen Moment nur das Rauschen in ihren Adern.
Sie legte den Kopf in den Nacken und leckte sich bei der Erinnerung die Lippen. Ein Lächeln teilte ihre Lippen, als sie an das andere Blut dachte, das sie am Vorabend gekostet hatte. Tommy und Klara, auch gespielt, auch verloren, sie kicherte leise. Manchmal verliert man, manchmal gewinnen die anderen.
Der ganze Abend kam ihr wie ein Spiel vor, ein großes lustiges Spiel, doch jetzt war es vorbei. Jetzt waren die Nächte wieder wie immer.
Sie stand auf, klopfte sich den Staub vom blauen Rock und schritt in Richtung Treppe. Sie wollte noch mit jemandem reden und dann musste sie in der Bibliothek noch nach einigen Wörterbüchern suchen.
Ohne einen Blick zurückzuwerfen eilte sie in die kalte Nacht hinaus.
Als die Tür ins Schloss fiel, erlosch das letzte Licht und der Steinboden versank in tiefster Dunkelheit. |
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Datum: |
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20.11.2018 |
Autor: |
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Saskia |
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