"Der Zauber steckt immer im Detail". (Theodor Fontane)
Der folgende Text beschäftigt sich etwas vertiefter mit der Philosophie des Theaters der Vampire und unseren Vorstellungen dazu.
Insbesondere wird auf die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu anderen Vampire-Live-Rollenspielen eingegangen und erklärt, wo die Akzente und Schwerpunkte des Theaters der Vampire liegen.
Warum schon wieder ein neues Vampire-Live-Rollenspiel?
Gerade im Pluralismus der Vampire-Live-Rollenspiellandschaft, indem Traditionalisten, die immer noch die zweite Edition von White Wolfs Vampire: Die Maskerade spielen, neben Innovatoren existieren, die mit Vampire: The Requiem ein neues Spiel organisieren, stellt sich die Frage, ob der Markt nicht gesättigt ist mit Vampire-Live-Systemen. Die Antwort liegt in der Frage selbst verborgen: Bislang gab es nie ein Vampire-LIVE-System! Was es gab war lediglich der ein oder andere verzweifelte Versuch ein Tischrollenspiel-System in ein Live-System umzuwandeln – das ist in etwa so, als wollte man aus einem Hörspiel einen Theaterstück machen und wollte eins zu eins, sowohl Dialoge, als auch Subtext übernehmen.
Den fatalen Fehler den man dabei machte, ist zu vergessen, dass dies zwei Medien sind, die völlig unterschiedliche Akzente setzen. Spricht das Hörspiel die Phantasie an, bringt einen, wie ein Buch, an phantasische Orte, lebt von der Spannung, die aus der Frage resultiert: Wie sieht das aus? Was sehen die Hauptfiguren? So ist ein Theaterstück räumlich weit begrenzter, es zeigt einem die Dinge, wie sie sind, oder deutet sie zumindest an, nicht jeder Szenenwechsel kann ein Ortswechsel sein, ohne es zu langatmigen Pausen kommen zu lassen. Das Hörspiel kann ich jederzeit unterbrechen, die Theaterbühne wird bespielt, bis der Vorhang fällt.
So verhält es sich auch mit diesem akustischen Medium Tisch- und dem audiovisuellen Live-Rollenspiel. Auch die Akzente der erzählten Geschichten müssen ganz andere sein. Wenn in einer Tisch-Chronik innerhalb einer Geschichte, die von einem erzählt wird, eine handvoll Charaktere an die entlegensten Orte reist, um dort die unmöglichsten Dinge zu sehen und ggf. gegen sie zu kämpfen, würde so etwas auf dem engen Raum, den ein Live-Abend vorgibt nicht funktionieren und trotz größter Bastelbemühungen nicht mehr als lächerlich wirken. Kann nämlich eine von vielen Spielern gemeinsam gestaltete Live-Chronik nur einen gesellschaftlichen Charakter besitzen, muß sich von Event zu Event bewegen. Aus der selbstgesetzten Prämisse ein reines Live-Rollenspiel zu sein, ergibt sich somit
Was das Theater der Vampire nicht ist
Es ist kein LARP, denn das bedeutet Live-Action-Roleplaying-Game und Action, allgemein definiert als Kampf, und Kampf spielt eine verschwindend geringe Rolle im TdV.
Es ist keine Live-Domäne, die versucht ein Tischregelwerk umzuschreiben und damit ist es weder abhängig von Vorgaben irgendeines Hintergrundes, noch von Änderungen und Erweiterungen irgendwelcher allgemein bekannter Regeln. Es wird niemand gezwungen oder motiviert sich komplexe Regelwerke anzuschaffen und auswendig zu lernen, weil man sonst nicht mitspielen könnte, oder zumindest einen großen Nachteil davon hätte.
Es ist kein Chronikverbund, der aus heterogenen Domänen besteht, deren Spielleitungen aufgrund der unterschiedlichen eigenen Konzepte und Interessen der Spielerschaft, langwierige Schlachten ausfechten müssen, über Regelverständnis, Hintergründe, Spielstile. Doch kommen wir zur weitaus wichtigeren Frage, nämlich:
Was das Theater der Vampire ist
Es ist ein Rollenspielsystem, dass seine Akzente setzt auf das darstellerische Spiel, also auf das interaktive Spontan- oder Improvisationstheater. Darauf, dass jeder eines jeden Darsteller und Publikum zugleich ist und um dem gerecht zu werden, stets spielt, um die Stimmung zu erhalten und gemeinsam denkwürdige Situationen zu erleben und Geschichten zu erzählen und nicht um seinen Charakter auf einem Blatt Papier mehr Punkte zu beschaffen.
Ein weiterer Akzent liegt auf der Freiheit und Individualität des Systems. Alles ist möglich, solange es stimmungsvoll ist, ohne die Darstellung zu unterbrechen. Es gibt keine fixen Clans, die einem Charakter einen Stempel aufsetzen und damit für alle Zeit zeichnen. Es gibt keine Disziplinen, die einen Stop des gesamten Spielgefüges erfordern, um anzusagen, was alle gerade sehen oder fühlen und damit sämtliche Spannung zum Stillstand kommen lassen.
Auch ist es eben ein neues, unbekanntes System. Niemand, außer den Erschaffern, weiß um die vielen geheimen Hintergründe und vieles ist noch nicht einmal fixiert. Woher kommen die Vampire? Warum vergessen die Menschen sie? Warum kennt niemand einen, der älter ist als X? Hat unsere Existenz einen Sinn? Welche Wesen, außer uns gibt es noch? Eine Einführung beginnt nicht mit: „vor 10.000 Jahren erschlug einer seinen Bruder und wurde verflucht..." Es gibt keine Antagonisten, die jeder Spieler in einem Regelwerk nachlesen könnte, um dann später zu sagen: „eigentlich konnte der das doch gar nicht!".
Es ist ein einsteigerfreundliches System. Ein jeder könnte mitmachen, ohne auch nur eine Zeile vorher von uns gelesen zu haben. Alles Wissen, außer vielleicht ein paar Verhaltensregeln und der Aufforderung etwas Phantasie mitzubringen, kann im Spiel selbst erworben werden. Das ist nicht nur unglaublich unkompliziert und wenig arbeitsaufwendig, sondern auch sehr spannend und fördert den Individualcharakter, da so jeder ein anderes Bild, mit unterschiedlichen Schwerpunkten erfährt. Jeder, von ein paar Startrollen abgesehen, wird auf seine selbstpersönliche Art in diese Gesellschaft aufgenommen, wobei die Grenzen für die Erschaffung einer Figur, nur durch die eigene Phantasie begrenzt sind, es gibt keine vorgeschriebenen Kategorien in denen man dabei denken muß oder ein Punktesystem, auf das man seine Rolle zwängen muß.
Es geht aber auch um Horror, nur liegt dieser unserer einhelligen Meinung nach tiefer, als in manch anderem System. Auf einer persönlicheren Ebene.
Niemand von uns erlebt stimmungsvoll Furcht, wenn ein ungehobelter Typ mit vielen Wasserpistolen und Latexschwertern vor uns steht und uns anmotzt oder indem einer allen eine Situation beschreibt, in der ein schreckliches, großes Ungeheuer einen nach dem anderen von uns verwundet, während wir nichts dagegen tun können. Ein Vampir, ein Raubtier, dass uns die ganze Zeit beobachtet, plötzlich aus unserem Blick verschwindet, obgleich wir wissen, dass es noch da ist und irgendwo auf uns lauert, bis es unerwartet zum Sprung ansetzt oder ein Gesprächspartner, von dem wir uns so verstanden wissen und glauben ihn zu kennen, bis er plötzlich etwas sagt, was wir nicht berechnet hatten, etwas was seine Persönlichkeit und Motive, wie wir sie doch so gut kannten, derart in Frage stellt, dass wir kurz hinter die Maske seines persönlichen Wahnsinns blicken und langsam zu verstehen beginnen, was er wirklich von uns will, sind dagegen unsere Vorstellungen. Die zentrale Darstellung dieses Horrors ist die Sünde, genauer einer Todsünde, der ein jeder Vampir verfällt.
Unserer Meinung nach kann die von uns gewünschte Stimmung nicht aufkommen, wenn man auf Plastikstühlen um ein paar Tische sitzt, umgeben von bunt bemalten und beklebten Wänden und Fenstern oder wenn man jedes Mal in der selben Kneipe sitzt, und sich vorstellen muß, dass es dieses mal eigentlich wieder völlig anders aussieht. Wir setzen hohe Standards, sowohl an unsere Spielorte (Locations), als auch an unsere Deko, sowie Kostüme und Schminke unserer Darsteller. Um diesen hohen Standards gerecht werden zu können, und um es zu etwas besonderem zu machen, spielen wir auf einer Event-Basis, in einem unregelmäßigen Turnus von 2-4 im Jahr.
Bei uns sind die Vampire nicht die eigentlichen und wahren Herrscher der Welt, die alle Fäden in der Händen halten. Wieso auch? Was sie haben ist die Unsterblichkeit und die damit verbundene Langeweile und ihre unterschiedlichen Wege mit beidem fertig zu werden. Es gibt somit kein Ansagenspiel, bei dem per Mail einer über Nacht zwei andere finanziell ruiniert und bei einem dritten eindringt, um ihn zu entführen, was die anderen ein paar Tage später auch erfahren. Alles wird Live gespielt mit dem Akzent auf die Spielabende. Wir spielen kein Planspiel, sondern ein Live-Rollenspiel.
Es gibt kein fixes Statussystem, dass niemand wirklich beherrscht, und das allein schon deshalb nicht funktioniert, weil es tlw. bessere Spieler auf unteren Ebenen gibt, als auf den höchsten. Jeder ist so angesehen, wie es seine darstellerischen Fähigkeiten erlauben in Abhängigkeit davon, wie viele andere er um sich scharen kann.
Abgesehen von dem Wegfall unmöglich darzustellender, magischer Fähigkeiten, wird außerdem versucht das Spiel so selten wir möglich zu unterbrechen. Niemand läuft mit Bändern oder Handzeichen herum, um anzuzeigen, dass er entweder nicht gesehen wird oder gar nicht da ist. Selbst die Regie (Spielleitung) taucht in Form von Schicksalsfiguren im Spiele selbst auf, tlw. neben dem Handlungsgeschehen, manchmal auch mittendrin.
Wir wollen uns dem Gedanken nicht verschließen uns mit anderen Gleichgesinnten zusammenzuschließen, um gemeinsam zu spielen, da unser System beliebig erweiterbar und fortsetzbar ist. Denn dieses System verlangt nach unterschiedlichen Konzepten, Spielstilen und Herangehensweisen und somit macht ihm eine heterogene Spiel-Landschaft nichts aus.
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