1.3. Wiedergeburt - Der dunkle Kuss |
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"Woher wüßten wir, was Finsternis ist,
wenn wir nicht zumindest an das Licht glauben würden?"
(Schattenkinder)
Werte Leser,
an dieser Stelle möchte ich Ihnen nun vom „Dunklen Kuss“, wie es so oft und wunderschön poetisch ausgedrückt wird, erzählen. Oh, ja, ich las es in zahlreichen Romanen, die über UNS verfasst wurden und ich sehe es auch in den vielen Gedanken der Sterblichen, die sich mit UNS näher befassen.
Es ist nahezu immer das gleiche Bild oder die gleiche Vorstellung. Der „Dunkle Kuss“ hat etwas Romantisches und sogar Erotisches. Er ist beinahe niemals als ein zufälliger Akt beschrieben. Nein. Vielmehr kennen sich Vampir und Sterblicher schon über einen längeren Zeitraum und pflegen soetwas wie eine „Liebesbeziehung“. Diese mündet dann in eine Art, nun, ich will es einmal als „Ehe“ bezeichnen, indem der Vampir dem Sterblichen diesen sogenannten „Dunklen Kuss“ schenkt, worauf der Sterbliche zu einem von UNS wird.
Der Sterbliche gibt sich dem Vampir hin. Er genießt, wie ihm das Blut zärtlich genommen wird und wie das machtvolle, alte Blut des Vampirs ihn wieder aus dem Hades hinauszieht. Fortan weilt er unter UNS, Nacht für Nacht stärker und mächtiger werdend und... unsterblich.
Alle diejenigen, die diesen Geschichten in dieser Weise verfallen sind, sollen dieser Illusion weiterhin Glauben schenken. Ich jedoch werde Ihnen eben jetzt die Kehrseite dieser Medaille offenbaren, nämlich MEINE Schöpfung...
Sie war ein Akt der Gewalt! Je verzweifelter ich mich gegen den Vampir wehrte, desto größeres Vergnügen fand er daran, mich zu nehmen. Ich schrie vor Schmerz und Verzweiflung. Aber das motivierte ihn bloß noch mehr, mich endgültig zu töten. Als ich endlich leblos in seinen Armen lag, ließ er mich fallen wie eine Puppe, mit der man es leid war, zu spielen. Er ließ mich einfach zurück... Ich habe es einem zweiten SEINER Art zu verdanken, dass ich DAS geworden bin, was ich heute bin: Ein Vampir, Nacht für Nacht stärker werdend und... unsterblich.
Der dunkle Kuss ist eines der zentralen Themen in der Existenz eines Vampirs.
Der Schöpfungsakt ist eine einschneidende, manchmal sogar fast traumatische Erfahrung für den Nachkommen und für den Schöpfer. Zwar verfügen die meisten Vampire über die dunkle Gabe des Kusses, aber es gehört mehr dazu, Erfahrung und auch Fingerspitzengefühl.
Der Vampir trinkt das Blut des Erwählten bis zur Neige und führt ihn an die Schwelle des Todes. Dies ist ein kritischer Moment, denn es besteht durchaus eine gewisse Möglichkeit, dass ein unerfahrener Vampir einen Augenblick zu lange zögert oder zu weit geht und sein potentieller Nachkomme einfach stirbt. In dem Moment, in dem das Lebenslicht erlischt, gibt der Vampir seinem Erwählten von seinem eigenen Blut. Das Blut ist der Träger, die Komponente für eine mystische Vereinigung und die Übertragung eines Teils der Essenz des Vampirs.
In der Vereinigung wird die Lebenskraft des sterbenden Erwählten freigesetzt und auf mystische Weise das Potential für dunkle Gaben erweckt. Allgemein wird angenommen, dass bei diesem Akt der Vereinigung ein Fragment der Seele des Vampirs auf den neuen Nachkommen transferiert wird. Dadurch geht dem Vampir etwas von seiner Essenz verloren, was zur Folge hat, dass seine Seele schwächer wird, und die Todsünde in ihm stärker.
Die Schöpfung eines Nachkommen ist immer auch ein weiterer Schritt hinab auf dem Weg. Den allermeisten Vampiren ist dies vollkommen bewusst und auch klar, dass sie im Laufe ihrer unsterblichen Existenz nur äußerst wenige Gelegenheiten haben werden, um einen Nachkommen zu schaffen, bevor ihre Essenz dem Seelenbrand anheim fällt.
Der dunklen Kuss ist ein äußerst Kräfte zehrender Prozess. Es ist einem Vampir nicht möglich, in einer Nacht mehr als einen Nachkommen zu schaffen.
Vampire suchen sich ihre zukünftigen Nachkommen in aller Regel äußerst sorgfältig aus. Geeignete Erwählte sind wahrhaft prestigeträchtig und werden entsprechend behandelt.
Häufig beobachtet ein Vampir sein Ziel nicht nur sehr lange, sondern unterweist sein potentielles Ziel bereits, während dieses noch Erwählter und sterblich ist. Solche Erwählten werden fast immer auf gesellschaftlichen Anlässen den anderen Angehörigen der Familie und auch der Gesellschaft am Hof der Nacht vorgestellt.
Es ist es eine weitverbreitete Tradition, dass man sein zukünftiges Kind dem Ältesten seines Hauses vorstellt und formell um die Erlaubnis zur Schöpfung eines Nachkommen bittet. In manchen Häusern ist es auch Sitte, dass man seinen eigenen Vorfahren um Erlaubnis bittet, einen Nachkommen erschaffen zu dürfen.
Es ist üblich und eine Art Loyalitätsprobe, dass andere Vampire solche Erwählten becircen und umgarnen, um sie dem potentiellen Schöpfer abzujagen oder abspenstig zu machen. Je nach den Umständen kann dies einfach nur ein kleines Spiel und eine Prüfung sein. Oder es wird zum Auslöser für ernstzunehmende Intrigen und Konflikte zwischen verschiedenen Vampiren um einen Erwählten, der häufig genug nicht weiß, wie ihm geschieht.
Die daraus entstehenden Eifersüchteleien und Zwistigkeiten sind der Stoff für manche Legende und Geschichte und auch für manchen Jahrhunderte alten Konflikt.
Viele Vampire nutzen gesellschaftliche Anlässe und Festivitäten dazu, ihre Erwählten ins Rampenlicht der Aufmerksamkeit zu stellen, um sie auf diese Weise zu prüfen und selbst Glanz und Bewunderung zu ernten. Die Schöpfung eines Nachkommens ist ein beliebter Anlass für Vampire, die nach Ansehen und Anerkennung streben, um eine Feier oder eine Zusammenkunft auszurichten.
Der eigentliche Akt der Erschaffung erfolgt meist in einem privaten Rahmen. Nur wenige Vampire bevorzugen für den Dunklen Kuss die Öffentlichkeit. In diesen Fällen ist der Kuss meist ritualisiert und Teil einer Tradition des jeweiligen Hauses.
Vampire, die die Öffentlichkeit bevorzugen, machen eine kleine Zeremonie als Höhepunkt eines Festes daraus. Das frisch erschaffene Kind darf unter dem Applaus und der begeisterten Anteilnahme der Gäste gleich sein erstes Opfer austrinken, welches meist leicht betäubt oder unter Alkoholeinfluss steht, damit es leichter fällt. Solch eine öffentliche Zeremonie wird allgemein Blutstaufe genannt. |
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Datum: |
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14.09.2004 |
Autor: |
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Mercurius |
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