2001.09.24 - Prolog II: Camillas Bericht der Ereignisse |
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Louis, mein Liebster!
Ich weiss, dass mein letzter Brief schon sehr lang zurückliegt und ich säumig war mit dem Schreiben, aber ich versichere Dir, dass ich meine Gründe hatte.
Du kennst mich und weisst, dass ich mich nur schwer in Geduld üben kann und so kam es, dass ich mich zwei Monate nach der Einladung von Monsieur Isidor wieder schlafen legte, da sich die Prophezeiung, dass ich jemand Besonderen finden würde, nicht erfüllte und ich keine Lust verspürte, mich weiterhin allein unter den Menschen aufzuhalten.
Ja, ich weiss, vielleicht hätte ich noch warten sollen, aber ich fühlte mich so verlassen und hilflos, dass ich für den Moment keine bessere Lösung sah.
Mitte letzter Woche traf dann wie versprochen die Einladung von Monsieur Nekrhun ein, ich schien den Zeitpunkt der Einladung wohl recht eingeschätzt zu haben, denn ich war zu meinem Glück schon einige Nächte wach und somit wieder ansehnlich.
Ich machte mich also zurecht und liess mich zu dem angegebenen Ort fahren, gespannt ob der Dinge, die mich dort erwarteten, und, ja, ich muss zugeben, dass ich mich auch auf den Gastgeber freute.
Als ich dann dort ankam und den Festsaal betrat, suchte ich, da kein Dienstbote mich empfing, zuerst einmal selbst nach Monsieur Nekrhun, um ihn persönlich zu begrüssen und ihm für die Einladung zu danken.
Ich kam in einen kleinen, abgeteilten und sehr festlich wirkenden Raum, in dem Samt und Brokat auf dem Boden lagen, dazu unzählige Kissen in allen Grössen und Formen, auf denen es sich die Gäste bequem machen konnten.
Ich fand ihn recht schnell inmitten zahlreicher, üppiger seidener Kissen leger neben einer Dame liegend.
Als er mich sah, erhob er sich halbwegs zu mir, sah mich mit seinem verführerischsten Lächeln an und begrüsste mich mit den Worten: "Ah, Madame Dubrac, wie schön, dass ihr hier seid, ich freue mich sehr, euch zu sehen!"
Ich beugte mich ein wenig zu ihm herab: "Die Freude ist ganz auf meiner Seite, Monsieur! Habt tausend Dank für eure Einladung" gab ich mit samtener Stimme zurück. In seinen Augen lag wiederum dieses seltsame, lodernde Feuer, dass ich schon beim letzten Mal bewunderte, und es faszinierte mich auch das jetzige Mal erneut.
Er empfahl mir unweigerlich, mich einmal näher umzusehen in den anderen Räumen der Festlichkeit, damit ich einen Eindruck gewinnen könne von der "Lebensart" der Nekrhuner.
Jedoch... Liebster, was ich sah... es... ängstigte, irritierte und verwirrte mich in höchstem Maße.
Fürwahr, ich wusste, dass die Mitglieder des Hauses Nekrhun, für ihre ausschweifende "Lebensart", wenn ich es einmal so bezeichnen will, bekannt waren, aber DAS hier...
Nahezu überall waren Bilder ausgestellt, die den menschlichen Geschlechtsakt in den verschiedensten Arten darstellten, was ich zwar für diese "Öffentlichkeit" als recht anstössig empfand, aber nicht wirklich furchterregend.
Nein, was mich zutiefst erschreckte, waren diverse Gegenstände, die die Wände "verzierten", sie.... es.... es erinnerte mich alles an Mister Delaware und mich überkam eine Übelkeit, ausgelöst durch meine Erinnerungen...
Ich wollte soeben den Raum verlassen, als Monsieur Nekrhun plötzlich hinter mir stand und mich fragte, ob es mir hier gefiele.
"Ich... äh... verzeiht, aber, wieso ... stellt ihr SOETWAS aus?"
Er lachte und sagte: "Nun, es kann sehr reizvoll sein, manche mögen es..."
DAS konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, und erst jetzt bemerkte ich, dass Monsieur Nekrhun eine neunschwänzige Katze in seiner Hand hielt, worauf mein Bedürfnis, den Raum verlassen zu wollen, unweigerlich stieg.
Ich liess mir meine Furcht nicht anmerken, aber innerlich zitternd fragte ich mich, ob er dieses Ding wohl benutzen würde.
Zum Glück tat er jedoch nichts desgleichen und liess mich ohne weiteres ziehen, er schien meine Angst auch nicht im geringsten bemerkt zu haben.
Da es unhöflich gewesen wäre, sich sogleich wieder gänzlich zu verabschieden, beschloss ich, draußen zu suchen und Rotwein nach bekannter Prozedur zu trinken und zwar so schnell, dass er mich betäubte.
Als der Wein seine Wirkung tat, betrat ich wiederum den Raum, der mit den am Boden liegenden Kissen geschmückt war und gesellte mich zu zwei jungen Herren, die, wie ich schnell bemerkte, Sterbliche waren - auch dieses noch - STERBLICHE unter UNS!
Jedoch in der Hoffnung, dass einer von ihnen meine Prophezeiung erfüllte, begann ich eine zwanglose Unterhaltung mit ihnen.
Ich fragte sie nach ihren Namen, ihrer Arbeit und da tat ich schon meinen ersten Fauxpas, ich wusste nicht, was ein Barkeeper, so nannte es sich wohl, war, und die beiden Herren fingen an, mich für verrückt zu halten, weil sie mir viele neuzeitliche Dinge erklären mussten, weil ich sie nicht verstand oder nichts darüber wusste.
Auf die Spitze trieb ich es wohl unwissentlich, als einer der beiden einen kleinen, viereckigen Apparat auch seiner Jackentasche zog, mit dem man angeblich telefonieren, Briefe schreiben und empfangen konnte.
Ich glaubte ihnen kein Wort, einen solch tollen Apparat KONNTE es gar nicht geben, zumal ich bemerkte, dass sich mich keineswegs ernst nahmen und mich für dumm verkauften. Sie lachten über mich und machten sich lustig, das hatte ich nun wirklich nicht verdient, zumal ich mit allen Kräften versuchte, ihnen klar zu machen WAS WIR sind, um sie aus dem ganzen Geschehen heraus zu bringen, damit ihnen nichts Schlimmes zustiess. Mit der Zeit wurde ich ernsthaft wütend, denn sie glaubten mir immer noch kein Wort, ganz gleich was ich sagte.
Schliesslich hatte ich es dennoch geschafft, sie aus diesem zentralen Raum heraus zu locken, unter dem Vorwand, mit ihnen Essen gehen zu wollen, da ich dachte, dies sei heutzutage eine höfliche Geste, um sich auszutauschen, aber die Herren weigerten sich absolut, mit mir auszugehen.
Sie waren stur wie die Esel und daraufhin machte ich mir auch nicht mehr die Mühe, zu erspüren, was sie von mir hielten, ich hatte genug "gesehen", davon, dass ich eine Verrückte sei, ungebildet und dumm.
Mittlerweile schlichen andere MEINER Art immer dichter um sie herum und schliesslich gab ich auf, gegen soviel Dummheit konnte ich nichts ausrichten. Ich ärgerte mich unsagbar, wie konnte ich bloss so naiv sein, und auf meine Schönheit und Redegewandtheit zählen, wenn ich Blinde und Taube vor mir hatte?
Ich verliess die beiden, wie ein Löwe seine Beute verlässt, wenn er satt war, um den Rest den lauernden Hyänen zu überlassen, und es dauerte tatsächlich nicht lange, bis andere der UNSRIGEN sie von UNSERER Existenz überzeugten.
Dann traf ich plötzlich auf "mein Schicksal", auf Mercurius.
Er gesellte sich zu mir zwischen ein paar der Kissen, während ich meinen Kopf in seinen Schoß legte und mir ein wenig Trost erhoffte. Aber er hatte nichts für mich, als die niederschmetternde Nachricht, die da lautete: "Du musst Geduld haben!", zumal es ihm spürbar unangenehm war, dass ich mich an ihn anlehnte.
Enttäuscht und überzeugt davon, dass keiner der beiden Herren meine Prophezeiung erfüllte, ging ich hinaus, um ein weiteres Maß Wein zu trinken, welches mich nun wirklich gleichgültig allem gegenüber werden liess, so dass ich auch den Raum ertrug, in dem diese unsäglichen Gegenstände ausgestellt waren.
Dann, ganz plötzlich, gab es ein Wirrwar um zwei Sterbliche, die tot in diesem Raum lagen, getötet von einem von UNS, aber es war mir egal, es war nicht mein Belang, ich wäre zwar niemals derart ungeschickt, trotz allem, es ging mich nichts an....
Die "Toten" wurden entfernt und ich blieb, wo ich war, und dies schien wohl gerade recht, denn ein junges, hübsches Mädchen begann, zu Musik zu tanzen und entkleidete sich dabei auf sehr ästhetische Weise. Dieser Tanz gefiel mir ausserordentlich, zumal Monsieur Nekrhun wie ein Schatten hinter mir erschien und mich zärtlich streichelte, während sein leises, gurrendes Lachen in mein Ohr drang. Vom Wein betäubt wurde ich erregt und spürte die Hitze meines Blutes und fauchte kurz, aber deutlich hörbar auf, da ich langsam die Kontrolle über mich verlor.
"Schhhhh! Ganz ruhig!" flüsterte Monsieur Nekrhun, wohl wissend, dass ich ganz und gar nicht ruhig bleiben konnte. Ich biss mir in mein Handgelenk und trank mein eigenes Blut, um mich abzukühlen, ehe ich es an Monsieur Nekrhun weiterreichte, damit er davon kostete...
Als die Darbietung des Mädchens zuende war, lud er mich selbst zu einem Tanz ein, den ich natürlich dankend annahm und der mir sehr viel ... Vergnügen bereitete....
Nun hatte ich also den Abend ausgekostet, soweit es für mich möglich war, und jetzt war es an der Zeit für mich, zu gehen.
Ich wollte nun auch allein sein, umso mehr, als einer der beiden sterblichen Jungen auf mich zukam und erklärte, dass er nun begriffen habe, WAS WIR seien, und mir versicherte, dass er mir helfen könne, was die heutige Zeit anginge, wobei er die Hoffnung hegte, dass ich ihn zu einem von UNS machte.
Ich erkärte ihm, dass es mir ein Leichtes wäre, ihn zu einem von UNS zu machen, aber ich könne es nicht .... ER war nicht der, den ich suchte. Ich würde auf Mercurius hören und mich in Geduld üben müssen.
Und so verabschiedete ich mich von Monsieur Nekrhun, um hinaus zu gehen in die Nacht und meinen Durst an jemandem zu stillen, der meine Anwesenheit verdient hatte...
So weit, mein Herz, lauten die Neuigkeiten, die ich Dir schreiben kann, ich weiss, es ist nichts dabei, worauf ich stolz sein könnte, aber ich höre nicht auf, an meine Prophezeiung zu glauben...
In Liebe,
Dein Dunkler Engel,
Camilla |
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Datum: |
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01.10.2004 |
Autor: |
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Alex |
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