Von der Vergänglichkeit der Muse |
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Meinen Namen wage ich nicht zu nennen denn zu grausam wäre die Strafe, die mich erwarten würde, wenn bekannt wird, wer diesen vertraulichen Brief an die Öffentlichkeit trug.
Ich werde mich in nächster Zeit wohl eher zurückhalten müssen, doch zu schwer wiegt dies Wissen in meiner Brust und meiner Seele, als dass ich es allein ertragen könnte...
Doch lest selbst:
Werter Isidor von Xanten,
Ältester des noblen Hauses Lucius,
Patron des nächtlichen Ruhrtales, in welchem unser bescheidener Besitz
gelegen,
unsren Gruß zuvor! Wir hoffen, unser Schreiben erreicht Euch bei bestem Wohlbefinden und heiterem Gemüte, sind doch die Nächte des Hartung bitter und dem hellmütigen Wesen Eures Hauses, das so oft schon die Seelen einer Festgesellschaft der irdenen Schwere enthob, nicht gemäß.
Euer Besuch in unsrem Hause ist mir stets erinnerlich, obschon der Unrast des forschenden Geistes keine Grenzen zu erwachsen scheinen. Die Konstellation der Gestirne und die unirdischen Kräfte fordern mehr unsrer Zeit, als wir zu opfern bereit sein dürften, ohne der Annehmlichkeit der hohen Gesellschaft entbehren zu müssen; jedoch was klagt der Mensch, wenn der Gottheit Blick ihn streift? So fürchten wir einmal mehr, der Versammlung in der Nacht des fünfzehnten nicht zuteil werden zu können, wenngleich ein weitres Mal unsre Geliebte und Herrin unsres Herzens, die edle Dame von Kühn, unser Haus vortrefflich zu vertreten sich in der Lage erweisen wird.
Möge ihr Glanz, der unsre Nächte durchscheint, zu jenem Anlass Eure Salons erhellen und uns ein trefflicher Spiegel froher Ereignisse sein.
Eine betrübliche Nachricht betreffs der Person Melpomenes muss unser Schreiben schließen. Sie war einer Prüfung unterzogen und bestand nicht, sondern verging in ihre künftige Inkarnation. Unser Bedauern.
Mit den vorzüglichsten Grüßen,
Georg Friedrich Philipp Freiherr von Hardenberg
Melpomene TOT?!
Welch grausiges Schicksal mag sie ereilt haben? Sie - die Muse Hardenbergs – die immer schicklich mir erschien?
Die Antwort kommt wohl nie zu Tage – denn wer würde sich schon trauen, danach zu fragen... |
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Datum: |
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14.01.2005 |
Autor: |
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Novalis |
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