2005.09.27 - III. Akt: Lothringus Gedanken an späteren Tagen |
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Wieder auf Burg Gemen, und endlich schweigen die Stimmen. Die Kreise sind gezogen und endlich finde ich, zwei Nächte nach der Zusammenkunft, ein wenig Ruhe, um die Ereignisse in Worte zu fassen, welche in Setheus Entseelung gipfelten.
Ich erwachte an jenem Abend mit einem unguten Gefühl, hatte ich doch den Feind schon Tage vorher gespürt. Ich hatte gehofft, die Zeichen auf Burg Gemen würden ihn binden und ihn von unserer Zusammenkunft fernhalten. Wie sehr hatte ich mich doch geirrt.
Was harmlos und angenehm begann, endete in der größten Katastrophe seit Lucretias Tod. Setheus ging von uns. Seine Seele wurde fortgerissen. Die leere Hülle seines Körpers liegt hier vor mir. Seit Stunden schon ziehe ich die Kreise und blättere in alten Folianten. Durch welche Hölle musst Du grade gehen, mein Bruder!
Welch schrecklichen Feinden musst Du begegnen.
„Mit dem Schild, oder darauf!“, so sprachst Du in jener Nacht. Darauf, so scheint es, ist die Antwort. Und Du, mein Bruder, hast es geahnt. Ich werde niemals den Blick in Deinen Augen vergessen, als Du mir sagtest: „Heute Abend werde ich sterben!“ Ich schwöre bei Gott und dem Tempel, ich werde nicht ruhen, bis ich einen Weg gefunden habe, Deine Seele zurück zu holen!
Doch alles, alles hätte verhindert werden können, wäre Luzia nicht so unbeherrscht gewesen und hätten die Ältesten nicht ein Standgericht gefordert.
Saskia, das arme Kind, wusste nicht, was sie tat. Sie dachte wohl, die Unterbrechung der Zeremonie sei eine Missachtung ihrer selbst. Trotzig wischte sie das Zeichen von der Stirne, hoffend, endlich als Streiterin unserer Sache ernst genommen zu werden. Den Feinden des Hauses wollte sie sich stellen.
Zugegeben, sie kennt den Feind jetzt, was nur abgesehen von ihr nur ich bis dato behaupten konnte. Ja, dreimal schon sah ich dieses Geschöpf, doch nur einmal bot ich ihm bisher die Stirne. Und ich verlor, doch ich verlor nur eine Schlacht und nicht den Krieg.
Nicht auszudenken, was geschähe, wenn die 72 Legionen über die Schöpfung branden…
Hätte ich die Folgen geahnt, ich hätte besser Luzias Kopf rollen lassen…
Hätte… dieses Wort höre ich oft aus Deinem Munde, Blanchefort! Besinne Dich, Templer, auf den Schwur, den Du an ihrem Sterbebette leistetest! „Ich will das Licht sein, welches in dunkelster Stunde nicht verlischt!“ Dies gilt auch für Dich selbst, Erbe der Lucretia Amalia! Nun stelle Dich der Ungewissheit, wie Du Dich dem Feinde stellst!
Wahr ists, ich habe einen teuren Preis bezahlt für das, was ich tat. Doch ahnen Isidor und seine Bluthunde nicht, warum. Wüssten sie, was ich weiß, sie hätten nicht anders gehandelt. Doch sie sind blind für meinen Krieg!
Der Krieg, der einmal mehr seine Opfer gefordert hat: Mein Bruder ist gefallen und die alten Häuser des Ruhrtals erkennen meine Stellung als Ältesten des Hauses Asmodeus nicht mehr an!
Diesen Preis wird Luzia zahlen, ob es ihr beliebt oder nicht! Und er wird teuer sein, doch steht sie zu tief in meiner Schuld als dass sie ablehnen könnte. Und ich werde alles Nötige tun, um meine Reihen aufzufüllen.
Isidor, Du degenerierter Wegelagerer im Purpurgewand! Über Dich will ich auch ein paar Worte fassen. Du zeigtest mir in jener Nacht Dein wahres Gesicht, und mit Dir Deine Räuberbande von arroganten Weibern und närrischen Lüstlingen!
Der Fürst der Nacht willst Du sein! Ich aber nenne Dich einen tyrannischen Despoten! „Der erste König war ein Mörder, und kleidete sich in Purpur, um das Blut seiner Tat zu verbergen!“ Welch Wahrheit steckt doch in diesem Satz!
Zu fassungslos war ich in dem Moment, zu begreifen, was dort vor sich ging. Doch nun erkenne ich, alter Mann!
Deine hochgepriesenen Gesetze der Nacht, nichts anderes als mit dem Purpurmantel der Zivilisation bedeckte Willkür! Denn nur die Mächtigen entscheiden, wer sich Haus nennen darf und wer zu den Ältesten gehört! Allein die mächtigen und alten Häuser. Und ihr tatet wohl daran, nicht mehr Gesetze zu verfassen geschweige denn mehr als nur Eure Rechte zu formulieren! Dies hätte bedeutet, mehr Macht einzubüßen und Euch Dingen zu fügen, die Euch nicht passen!
So spracht ihr mir die Privilegien ab, als ihr merktet, dass ich nicht war wie ihr, verkommen, alt und machtgierig.
Du sagst, es gibt keinen Krieg mehr, doch unter der Knute der Alten beugt sich der Hof der Nacht. Ich sah schon oft, wie Schwache geknechtet und gequält wurden von den Alten und Starken. Es ist wahr, wir haben keinen Krieg, doch Frieden haben wir auch nicht.
Das Wort der Wahrheit heißt Klassenkampf! Tja, wer hätte gedacht, dass ein Templer Marx gelesen hat…
Du, Isidor von Xanten, trittst den Hof der Nacht mit Füßen. Die kleinen Häuser sind dir hörig.
Du sagst, Alter bringt Weisheit. Ich aber sage Dir, in deinem Falle bringt Alter Unverständnis einer sich ohne Dich weiterdrehenden Welt. Die Meisten am Hofe der Nacht sind jünger als Du! Wie willst Du denen ein weiser Herrscher sein, die Du nicht verstehst? Du aber willst dies nicht einsehen, so verbohrt und machtgierig bist Du, dass Du dem Hofe Deine veraltete und verstaubte Prägung aufdrückst. Die Welt gehört den Jungen! Und alt zu werden bedeutet, sie ihnen zu überlassen!
Und ich versichere Dir, wer den Wind säht, wird den Sturm ernten. Drum, Isidor, bestelle weiter Deine Felder, bis der Sturmwind der Revolution den Staub vom Hof der Nacht bläst!
Trüge ich nicht das Kreuz auf der Brust und wäre ich nicht durch einen Eid gebunden, ich schwöre Dir, ich würde mir den roten Stern anstelle des Kreuzes auf die Brust heften und mich in eine Advokatenrobe anstelle des Habits werfen, neue Gesetze für den Hof der Nacht zu fordern!
Doch ich habe einen Krieg zu führen und habe keine Zeit, mich mit der ach so erhabenen Häuser Intrigen und Scharaden abzugeben. Es sei denn, beide Kriege teilen sich ein Schlachtfeld.
Einen letzten Satz noch, meine Erben sollen ihn wohl lesen:
Edel ist man durch Taten und nicht durch Stand und Geburt! Eine weitere Erkenntnis, die ein staubiges Relikt wie Isidor niemals haben wird...
(aus Lothringus Testament und Tagebuch) |
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Datum: |
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27.09.2005 |
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Lothringus |
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