2006.05.20 - Lazarus Fest: Gedanken nach der Feier |
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Der Schlaf ließ heute lange auf sich warten. So lange, dass ich schon die Umrisse meines Zimmers im grau des Morgenrots aufflammen sah. Ich zog die Eichenplatte über mein Haupt. War ich lebensmüde geworden? Diese Frage stellte ich mir in letzter Zeit öfters. Als ich mich zwischen Lazarus und meinen Bruder warf, war es da wirklich die Sorge um sein Wohl? Als ich Lothringus zur Seite sprang, war es da wirklich Zuneigung zu diesem Vampir die mich antrieb? War es nicht eher die Sehnsucht?
Wir sind nur Gäste auf dieser Welt. Dummes, pöbelndes Volk, das seinen eigenen Untergang nicht bemerkt. Es gab in letzter Zeit so viele Zeichen doch keiner schien sie zu bemerken. Seltsam waren die Szenen an diesem Abend. Ein stolzer Isidor, der auf der verzweifelten Suche nach geistreicher Konversation wie ein Hahn seine Runden drehte und einen Seitenhieb nach dem nächsten verteilte, nicht bemerkend, dass er den Großteil seiner Zuhörerschaft nur langweilte.
Asphyx, der umher irrte und mit seinen Morden prahlte und doch an diesem Abend kaum einem ein Härchen krümmte.
Und schließlich das Erscheinen Lazarus, seiner Aussage zu Folge einer der Urahnen, der mit einem Schlag alle herrschenden Machtverhältnisse in Frage stellte und doch in seine Schranken gewiesen wurde von einer Frau.
Waren das nicht alles Zeichen das unsere Zeit zuende geht?
Keiner scheint zu bemerken, dass unser Kreis kleiner wird. Das schon Häuser aus den entferntesten Ländern zu uns an den Hof der Nacht anreisen, weil sie unserer kleinen Zusammenkunft beiwohnen wollen. Wo waren die großen Vampirhäuser und die prachtvollen Zusammenkünfte auf allen Kontinenten dieser Welt? Beschränkt es sich mittlerweile alles nur noch auf unseren kleinen, feinen, erlesenen Kreis?
Man hört und sieht nichts mehr von dieser Welt. Es scheint, als hätte der Schleier der Ewigkeit uns eingekesselt, um uns nun sanft zur Ruhe zu betten.
Ein tobendes, wildes Kind, das man mit Schlummermusik betäuben und mit Märchengeschichten einlullen muss.
Das Märchen vom Vampir.
Das Märchen vom Schrecken der Menschheit.
Aber ist nicht mittlerweile die Menschheit zu dem Schrecken geworden, den wir fürchten sollten?
Der Fortschritt, der immer mehr und mehr wird. Dem wir als Vampire gefangen in unserer Zeitblase nur hilflos zusehen können. Über den wir uns teilweise fasziniert lustig machen. Wird er uns nicht eines Tages auffressen?
Und die Menschen. Über die einige der unseren noch verfügen, wie über Nutztiere. Werden Sie uns nicht bald in die Knie zwingen?
Es gibt nur noch so wenige, die uns sehen. Die noch an unser Märchen glauben. Und wir übersehen dieses Geschenk, das sie für uns sein könnten und zertreten sie oder missachten sie. Wir behandeln sie trotz allem was sie für uns tun, nicht wie Gleichgestellte. Wir unterschätzen sie maßlos.
Ich glaube nicht daran, dass der Schleier der Ewigkeit die Menschen vor uns beschützt, sondern eher das wir vor den Menschen beschützt werden.
In diesem Zusammenhang kommt mir wieder David in den Sinn. David Mc Callum, mit dem ich mich länger auf der Soiree von der reizenden Calliope und ihres Erwählten Sin unterhalten hatte.
In diesem Menschen scheint ein großer Kampf zu toben der ihn schier zu zerreissen droht. Auch wenn er nach außen stets den ruhigen und zuvorkommenden Gentleman gibt, spüre ich doch deutlich die zornigen Wogen seines Herzen.
Und die Bedrohung die von ihm ausgeht.
Dieser Mensch hat ein Ziel bei dem er alles in Kauf nimmt, selbst wenn es ihm grundlegend zuwider ist. Und das erschreckende daran ist, das er keinen Hehl aus seinem Hass macht.
Er ist Erwählter des Hauses Lucius, was so widersprüchlich erscheint und doch so stimmig ist.
Die Menschen sind uns gegenüber nicht hilflos. Sie sind nicht eingeschränkt von Sonnenstrahlen oder ihrer Nahrung. Nur vergessen sie das allzu häufig. Ist es Zuneigung zu dem Mythos oder Respekt, der sie uns nicht ausrotten lässt? Behandeln wir sie etwa vielleicht noch zu gut? Was lässt sie in ihrem Aufbegehren zögern? Gibt es noch wahre Liebe zwischen Mensch und Vampir?
Diese Fragen drehten sich im Kreis und entließen mich endlich in einen kurzen ruhelosen Schlaf. |
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Datum: |
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29.05.2006 |
Autor: |
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Fey |
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