2007.07.13 - Terminus vitae, non amoris |
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Schemen umtanzten mein schwaches Augenlicht, wie blutroter Rauch hinter trübem Glas. Die Dame mit den roten, wallenden Haaren hatte sich am Kopf des knorrigen Holztisches niedergelassen. Ihr Kleid schmiegte sich wie ein blauer Gebirgsbach um ihren Körper und schoss in einem silbernen Fall den alten Sessel hinab wo es sich in Ruhe und Keuschheit über ihre Knöchel ausgebreitet hatte. Während sie sich mit dem schwarzen Fächer in der einen Hand lasziv Luft zuwedelte, hatte sie die zarten, weißen Finger ihrer anderen Hand um einen Kristallkelch gelegt, aus welchem sie bisweilen genüsslich nippte. Schließlich blickte sie zu der blonden Frau, die auf der Couch zu ihrer Rechten Platz genommen hatte.
"Und? Sagt, wie geht es Euch, Claire?"
Claire. Was in Gottes Namen hatte sie hierher getrieben? Hatte ich meine Erlebnisse bei Haus Abbadon nicht hinreichend genug beschrieben? Was, verdammt noch mal, hatte sie hier verloren?
"Es geht mir gut. Das Kind schläft nun."
Die blonde Frau auf der Couch setzte sich auf und legte ihre Hände in die Schoßfalte ihres schwarzen Rocks. Dann schaute sie zu mir herüber. Sie starrte regelrecht... naja. Kein Wunder eigentlich.
"Was ist mit ihm?"
Die Dame mit den roten Haaren schenkte mir einen kurzen Blick.
"Argus? Er… sprang aus dem Fenster."
"Naja. Dann wird er es wohl nicht anders verdient haben."
"Wie bitte?!"
Wie bitte?!
"Ich sagte, dann wird er es wohl nicht anders verdient haben. Jeder bekommt doch irgendwann, was er verdient."
"Er tat es, weil sein Herz zerbrach!"
Die klassisch-tragische Kausalität: Erst das Herz, dann die Knochen. Die blonde Frau klang besorgt und ich war für einen Moment sogar versucht anzunehmen, es sei tatsächlich die Claire, die ich mal kannte.
"Mein Gott! Es ist doch nicht etwa meine Schuld, oder?"
"Nein., unterbracht sie die rothaarige Dame. "Es ist jemandes anderen Schuld."
Betretenes Schweigen...
"Wird er sich wieder erholen?"
"Vielleicht." Die rothaarige Dame machte eine kurze Pause. "Aber nicht bestimmt."
Es folgte eine weitere, längere Pause.
Die Dame umfasste schließlich die Karaffe auf dem Tisch und schenkte noch etwas nach.
"Zumindest nicht, wenn wir ihn so lassen, wie er ist."
[...]
(Argus - Aus dem Leben eines Toten) |
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Datum: |
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17.07.2007 |
Autor: |
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Argus |
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