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Der Tod ist groß.
Wir sind die Seinen
lachenden Munds.
Wenn wir uns mitten
im Leben meinen,
wagt er zu weinen
mitten in uns.
(Rainer Maria Rilke)
Julianna blickte sich um, voller gespannter Erwartung.
Ihr Salon war in dieser Nacht gut besucht. Mindestens ein Dutzend Sterbliche waren von Ihrer Familie zusammengeführt worden. Unter dem Vorwand eines gesellschaftlichen Ereignisses, auf Einladung der Mitglieder des ehrenwerten Hauses Lucius.
Doch die Eingeladenen ahnten nichts von der Natur ihrer Gönner, noch etwas davon, was ihr Schicksal für sie in dieser Nacht bereit halten würde. Sie alle hatten etwas gemeinsam, etwas, was sie für Julianna und ihre dunklen Geschwister anziehend und interessant, ja sogar unwiderstehlich machte. Angeregt unterhielten sich die Gäste im goldenen Licht der Kandelaber, die jetzt noch eine warme Atmosphäre verbreiteten.
Eine Uhr schlug zwölf. Unvermittelt öffneten sich die großen Flügeltüren, lautlos jedoch und zuerst unbemerkt. Eine verhüllte Gestalt betrat den Salon. Ihre wallenden, blutroten Stoffe umspielten sie, wanden sich um sie, ohne merklichen Wind, und ließen ihre Konturen unerkennbar.
Julianna wies der Gestalt den Weg zu einem Stuhl. Die Gespräche im Salon ebbten ab und verstummten schließlich. Die Gestalt setzte sich mit erhabener Eleganz, im vollen Bewußtsein der Aufmerksamkeit aller Anwesenden. Neugierig richteten sie ihre Blicke auf den Neuankömmling, der nun einem dunklen Engel gleich, würdevoll den Raum mit seiner mysteriösen Ausstrahlung erfüllte. Der neue Gast hob den rechten Arm und bedachte den Raum und die Anwesenden mit einer anerkennenden Geste.
„Ich freue mich, dass ihr alle erschienen seid!“, ließ er mit einer Stimme verlauten, die bedächtig doch zugleich bestimmt, kaum wahrnehmbar, doch sehr eindringlich, zweifellos jeden sofort in ihren Bann schlug.
„Ich bin gekommen um euch Geschichten zu erzählen. Manche mögen sich vielleicht in der ein oder anderen wiederfinden. Doch für euch alle halten meine Worte eine kostbare und zugleich grausame Erkenntnis bereit.“
Aus den Falten seiner schweren Roben holte er einen Folianten hervor. Kryptische Zeichen bedeckten den ledernen Einband.
Und er begann zu lesen...
Die Gestalt erhob sich von ihrem Platz. Kein Laut verließ die Münder der erstaunten und schockierten Gäste. Der mysteriöse Geschichtenerzähler verließ den Salon, auf dem Weg zu einer anderen Gelegenheit seine Texte vorzutragen. Die Flügeltüren schlossen sich hinter ihm....|
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