2003.11.20 - Prolog III: Camillas Bericht der Ereignisse |
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Louis, mein Herz!
Mit diesem Brief will ich Dich an dem letzten Treffen der UNSRIGEN teilhaben lassen, genauso, wie ich es schon die vorigen Male tat.
Das Fest des Gastgebers, des Hauses Khaan, begann ganz friedlich und harmlos, um dann, nun wie soll ich sagen, mit Feuer zu enden.
Zunächst erfuhr ich, dass sich eine gewisse Darleen Molloy unter den Gästen befand, es war unglaublich, denn sie stellte sich mir als „Tochter“ von Daniel, diesem elenden Rockzipfel – Anhang Armands, vor.
Aber gut, niemand kann sich seinen Schöpfer selbst aussuchen und so bemühte ich mich, ihr vorurteilsfrei entgegenzutreten. Ich unterhielt mich mit ihr und musste feststellen, dass sie sehr aufgeräumt war, und sie hat mir gegenüber einiges voraus, immerhin stammt sie aus diesem Jahrhundert und weiß über die heutigen Dinge sehr gut Bescheid.
Was jedoch mein größtes Missfallen erregte, war, dass sie ein junges Mädchen namens Tatjana bei sich hatte, um dass ich mir zu einem späteren Zeitpunkt noch arge Sorgen machen sollte. Tatjana war viel zu jung, um zu eben DIESER Zeit an DIESEM Ort zu sein.
Und es gab noch jemanden, um den ich mich an diesem Abend sorgen sollte – Gabriel!
Er tauchte plötzlich auf, er war mir ohne mein Wissen auf das Fest gefolgt und befand sich nun mitten unter UNS, und ich hatte große Angst, dass ihm etwas zustieß.
Als ich sah wie er zur Türe herein trat, ging ich sofort auf ihn zu, um mit ihm zu schimpfen, dass er hier nichts, aber auch gar nichts verloren habe.
Er sagte, dass ER sich um MICH sorgte, da ich ihm nicht gesagt hätte wo ich hinginge, schließlich wüsste er sehr gut, wie schwer es mir fiele, mich allein zurecht zu finden. Nun, in diesem Punkt hatte er wohl Recht, aber dennoch war er hier fehl am Platze, es waren so viele von UNS zugegen, dass ich ihn unmöglich vor allen auf einmal beschützen konnte, falls dies notwendig werden sollte. Ich redete auf ihn ein, dass er doch bitte wieder gehen möge, war er sich doch nicht der Gefahr bewusst, die an diesem Ort überall lauerte, aber er bettelte förmlich, bleiben zu dürfen, um mehr über UNS zu lernen.
Ich zögerte, wog alles Für und Wider ab und erlaubte ihm schließlich, zu bleiben, jedoch unter der Bedingung, sich SEHR in Acht zu nehmen, wobei ich selbst ein Auge auf ihn warf, so scharf und gut, wie es mir nur irgend möglich war.
Also ging er, um Sterbliche als auch UNSRIGE zu befragen und ich ging, um selbiges zu tun. Ich unterhielt mich mit Mitgliedern des Hauses Khaan, die mir ein sehr wohlschmeckendes, feuriges Getränk reichten, welches nach einer sehr alten Rezeptur hergestellt wurde. Danach fühlte ich mich sehr wohl, aber auch seltsam erregt. Ich trank wohl etwas zuviel davon und mein Geist wurde leicht, so dass ich daraufhin eine, nun sagen wir, sehr intensive Unterhaltung mit Monsieur Nekrhun hatte. Später, als die Wirkung des Trankes nachließ, schämte ich mich für meine Ungezügeltheit.
Im weiteren verlief der Abend friedlich, es wurde ein anmutiger Bauchtanz von zwei schönen Damen in prunkvollen, orientalischen Gewändern vorgeführt und man wurde zu einer Mutprobe aufgefordert, um „Stärke“ zu beweisen. Auch ich MUSSTE diese Mutprobe mehr oder minder freiwillig ablegen, denn als Herr Jonathan Maria Ferdinand von Oppenheim vom Hause Khaan dazu aufforderte, stand ich so ungünstig, dass eine Dame namens Persephone, die sich direkt hinter mir befand, mir „höflicherweise“ mit einer eindeutigen Geste den Vortritt ließ.
Ich muss zugeben, dass mir diese Dame höchst unsympathisch war, sie erschien mir kalt und herzlos, selbst ihr prachtvolles Kleid schien wie aus Eis gefertigt. Vor IHR wollte ich nun wahrlich keine Schwäche zeigen, und so waren es mein Trotz und mein Stolz, die mich diese Mutrobe vollziehen und bestehen ließen.
Kurz darauf sollte sich tatsächlich herausstellen, dass ich mich nicht in der Dame Persephone getäuscht hatte, denn sie machte einen hilflosen Sterblichen zu einem von UNS, einfach so, ohne zu zaudern! Unwissend, wie der Junge war und im schlimmsten Stadium nach der „Schöpfung“, raste er wie ein Berserker durch die Räume, um Blut zu bekommen, ich konnte ihn weder halten noch beruhigen, er stieß mich einfach zur Seite...
Von diesem Zeitpunkt an überschlugen sich die Ereignisse geradezu: Gabriel berichtete, dass er ein Gespräch mitangehört hätte, in dem es um „ideale Foltermethoden“ ging, irgendein armes Wesen sollte wohl für ein, meiner Ansicht nach, nichtiges Vergehen bestraft werden. Monsieur Nekrhun sprach auch mit mir darüber, aber ich... ich war so naiv zu glauben, dass es nicht wirklich sein Ernst war, ich war geschockt, über das, was Gabriel nun erzählte, du weißt, mein Herz, WAS mir große Angst bereitet.
Dann rief Haus Khaan alle Gäste zusammen, um den „Stolz des Hauses“ vorzuzeigen, und es war wirklich widerlich, was sich daraufhin für ein Anblick bot: Es wurde eine Kiste geöffnet, in der ein noch lebender Menschentorso lag, dessen Beine man abgetrennt und die Stümpfe mit Teer behandelt hatte. Gabriel wurde sofort übel, so dass er hinaus lief, um sich zu übergeben, Tatjana erlitt einen Schock und war völlig unfähig, zu reagieren, sie begann zu weinen, sie ist ja fast noch ein Kind! Ich stand derweil in dem ganzen Chaos, denn das war es tatsächlich, da nicht alle Menschen und UNSRIGE so seelenstark waren, diesen Anblick zu ertragen. Ich sah zu, dass Gabriel keinen Schaden nahm und danach befahl ich Falk, Darleens Agent, sich um Tatjana zu kümmern, er solle ihr soviel Branntwein einflössen, dass sie vergisst. Am liebsten hätte ich dieselbe Menge Branntwein getrunken, um zu vergessen, jedoch war der Abend noch nicht zu Ende.
Nachdem sich alles wieder ein wenig beruhigt hatte, sah ich, dass sich Darleen und Tatjana, die bemerkbar unter dem Einfluss des Branntweines stand, in einer Ecke des Raumes auf dem Boden niedergelassen hatten und nun dieser Monsieur von Oppenheim bei ihnen saß, um sie offenbar für das Haus Khaan einzunehmen.
Ich wurde wütend! Es kam überhaupt nicht in Frage, dass diese beiden Kinder, ob sterblich oder nicht, mehr von solch barbarischen Ritualen sehen sollten!
Und so unterband ich diese Unterhaltung abrupt und befahl Darleen und Tatjana, sofort den Raum zu verlassen, sehr zum Missfallen des Monsieur von Oppenheim.
Als ich die beiden in Sicherheit wusste, machte dieser Herr mich mit einer weiteren Handlung so wütend, dass ich mich vergaß: Er begann, Gabriel anzugreifen, im wahrsten Sinne des Wortes! Immer wieder versuchte er, Gabriels Kehle zu packen, was diesen selbstverständlich ängstigte. Ich ging dazwischen und fauchte Monsieur von Oppenheim an, dass er dies gefälligst zu unterlassen habe. Von meiner Wut angestachelt, ging er nun mir und einer völlig unbeteiligten Sterblichen an die Kehle, so dass ich mich gezwungen sah, noch rigoroser zu werden, indem ich nach ihm biss. In diesem Augenblick bat der Gastgeber Monsieur Bocanegra um Gehör, er wollte den Abend nun für beendet erklären und bedankte sich bei den zahlreichen Gästen für ihr Erscheinen. Monsieur von Oppenheim hatte sich ein wenig von mir zurückgezogen und stand mir nun genau gegenüber, um mich böse anzustarren und mir offensichtlich mit seinem Schwert zu drohen, was mich jedoch nicht im mindesten beeindruckte. Als der Gastgeber die letzten Worte der Verabschiedung gesprochen hatte, war der allzu zornige Ausdruck aus Monsieur von Oppenheims Gesicht gewichen und er reichte mir seine Hand mit den Worten: “Ich möchte mich von ihnen verabschieden!“ Ich nahm seine Hand, da ich es für mehr als unhöflich hielt, mich vor all den Leuten nicht von ihm zu verabschieden und was soll ich sagen – meine Arglosigkeit wurde adhoc bitter bestraft: Plötzlich fing ich durch seine Berührung an, innerlich zu verbrennen, erst langsam und schleichend, dann wie ein gewaltiges Feuer, das mich verzehrte! Ein unglaublicher Schmerz und eine wahnsinnig machende Hitze breiteten sich in mir aus, so dass ich sie am liebsten hinausgeschrieen hätte!
Aber um nichts in der Welt wollte ich vor diesem Scheusal schreien und meinen Schmerz bekennen, nein, ich zog mich in mich zurück und brach zusammen. Ich konnte nicht mehr fühlen was um mich herum geschah, das letzte was ich hörte, waren Gabriels verzweifelte Rufe: “Hören Sie auf! Was geschieht mit ihr? So helfen Sie ihr doch! “ Ich weiß nicht, wie lange ich ohne Bewusstsein war, als ich jedoch wieder zu mir kam, verspürte ich einen Durst, wie ich ihn noch nicht gekannt hatte. Ich hatte das dringende Bedürfnis, meinen Körper zu kühlen, ich hätte in diesem Augenblick wohl alles getrunken, sogar Wasser, bloß um diese Hitze aus mir auszutreiben! Ich lag in Gabriels Armen und bat mit schwacher Stimme um etwas zu Trinken, und es war Monsieur Nekrhun, der mir von seinem starken Blut gab, um mich zu kühlen. Sein Blut stärkte mich so weit, dass ich wieder aufstehen und mich bei ihm für meine Rettung bedanken konnte. Danach brachte Gabriel mich nach Hause, wo ich mich die nächsten Nächte ausruhte und über verschiedene Dinge nachdachte: Ich hätte Gabriel besser doch akkurat nach Hause schicken sollen, er hatte viel zu viel gesehen, zumindest für einen Abend, ich weiß nicht, wie er es verkraftet, ich will nicht, dass er daran zerbricht... Was wird aus Tatjana werden? Sie ist doch noch ein Kind und es ist UNS strikt verboten, hilflose Vampire zu erschaffen... Ich habe nun vermutlich einen offenen Disput mit Monsieur von Oppenheim, aber für die nächste Begegnung weiss ich ja nun ob seiner Fähigkeiten, also kann ich dem gelassen entgegensehen, sein Säbelrasseln wird mich nicht ängstigen. Das größte Rätsel aber, das sich mir stellt, ist: Wird Monsieur Nekrhun nun eine Gegenleistung verlangen für sein wertvolles Blut, welches mich gerettet hat? Ich... nach dem, was Gabriel mir berichtete, habe ich fast ein wenig Angst vor ihm, ich weiß nicht, was sich wirklich hinter seinem hübschen Gesicht verbirgt, vielleicht sollte ich es herausfinden...
Du siehst, mein Liebster, an einem Abend kann sich so viel ereignen wie in einem halben Jahrhundert und die letztere Aufteilung wäre mir wesentlich lieber gewesen, denn ich brauche Zeit zum Lernen und Verstehen.
Du weißt es selbst am besten.
In Liebe,
Dein dunkler Engel
Camilla |
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Datum: |
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28.11.2004 |
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Alex |
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