2008.11.08 - Navaratri: Tagebucheintrag Constanze |
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Ich bin auf das Fest gegangen.
Ich dachte, das wäre gut so. Ein bisschen Ablenkung. Irgendwie hatte ich das Gefühl, ich würde dort mehr über mich selbst erfahren.
Aber was ich gesehen und erlebt habe, wühlt mich mehr auf als alles andere jemals zuvor.
Gleich am Anfang, ich hatte mich kaum gesetzt und ein Gespräch mit einer ganz in rot gekleideten Dame begonnen, griff eine Frau mit wirren langen roten Haaren einen am Nebentisch sitzenden Herrn an, schlug und trat ihn, bis er auf dem Boden lag und hätte ihn wahrscheinlich sogar erwürgt, wenn nicht jemand dazwischen gegangen wäre. Er hätte sie in eine Falle locken und dann töten wollen, warf sie ihm vor. Irgendwie wurde sie aber beruhigt und die Sache geklärt, ihr verwundeter Arm verbunden. Beide entschuldigten sich beieinander und gerieten auch im Laufe des Abends kein zweites Mal aneinander.
Erst später schien sich dieses Ereignis wie der Beginn eines roten Fadens in den Ablauf des Abends einzufügen. Was mir als eine als eine harmlose Versammlung kostümierter und nichtkostümierter Menschen erschien, löste sich auf in eine Gesellschaft, bei der die Menschen nur Beiwerk zu sein scheinen. Die wirklichen Fäden werden von den Vampiren gesponnen, deren Existenz ich aus einem Grund, den ich mir selbst nicht erklären kann, zwar nicht anzweifle, aber die ich auch bisher nur aus Geschichten kenne. Romanen, wie man sie überall findet.
Doch zurück zum Abend.
Es gab so etwas wie ein „Schicksal“, so wurden drei Personen genannt, zwei Männer und eine Frau, die offensichtlich die Macht hatten, den Abend nach ihren Wünschen zu gestalten. Einer der Männer war in einen seltsam karierten Mantel gekleidet und trug einen Stab mit einer Narrenfigur mit Schellen bei sich, der andere trug zwei Teufelshörner, eine Maske und einen roten Kaftan; die Frau kleidete sich mehr oder weniger nach dem heutigen Alltag und sprach mit starkem französischen Akzent. Sie tanzte lange recht enthusiastisch im Raume herum, redete dann auf eine junge Frau mit einem weißen Kleid ein, jede solle sich doch von den Zeichen der weiblichen Unterdrückung trennen und das Kleid gegen eine Hose eintauschen. Kurze Zeit später hieß es, daß eben diese weißgekleidete Frau und eine andere junge Dame aufgrund einer Wette zwischen dem Mann mit den Teufelshörnern und der enthusiastisch wirkenden Dame entweder sterben oder ihre „Familienzugehörigkeit“ verlieren sollten.
Offensichtlich gibt es Gruppen, in denen Menschen und Vampire zusammenleben und wie bei einer Symbiose voneinander abhängig sind - sie nennen sie „Häuser“ und die beiden jungen Damen waren jeweils Teil eines Hauses. Ich habe sie gefragt, wie sie sich denn sicher fühlen könnten unter den Vampiren. Ja, das sei ihnen schon zugesichert worden, versicherten beide, und außerdem sei ihr Leben in diesen Häusern doch besser als zuvor... Ähnliches hat mir auch eine Dame namens Callisto versichert, die ebenfalls eine sogenannte Erwählte ist. Eine ganz in Rot gekleidete Dame namens Nairu, in deren Nähe ich mich zu Beginn des Abends setzte und mit der ich mich im Laufe des Abends immer wieder über die Geschehnisse unterhielt, meinte sogar, sie sei jetzt wesentlich besser versorgt als jemals in ihrem alten Leben. Sie sei Gast im Haus Hardenberg, auf ein eigenes Einkommen sei sie nicht mehr angewiesen. Das erschien mir ziemlich suspekt und ich wollte nicht weiter nachfragen.
Ich fand eine andere Gesprächspartnerin, eine andere Sterbliche, sie nannte sich Ileana. Und auch sie schwärmte von dem Zusammenleben mit „ihrem“ Vampir. Später lernte ich diesen Vampir kennen, eine zierliche kleine Dame mit russischem Akzent, die sich mir als Tatjana vorstellte. Sie versicherte mir, dass ihre Erwählte vollkommen sicher bei ihr sei, sie niemals von ihren Erwählten trinken würde. Nicht überall sei das so, aber bei ihr bestimmt. Sie würde auch nicht von mir trinken, wenn ich es nicht ausdrücklich verlange. Und dabei standen ihre scharfen Eckzähne soweit hervor, dass ich nicht wagte, daran zu zweifeln, dass sie Hunger haben müsse, auch wenn sie das energisch abstritt...
Im Laufe des Abends wurde ein kurzer Vortrag über die Herkunft und den Sinn des Festes gehalten. Kurze Zeit später verschwand von einem Altar eine Statue, die trotz ihrer geringen Größe von größter Wichtigkeit für das gastgebende Haus war. Sie wurde später gefunden in der Tasche einer jungen Dame namens Dory-Ann, die deshalb wohl eine Strafe erhalten wird. Die beiden jungen Damen blieben am Leben, was die beiden Mitglieder des „Schicksals“, die die Wette abgeschlossen hatten, sehr erzürnte.
Auch wenn der Abend irgendwie doch noch ein gutes Ende fand und ich einige interessante Gespräche führte: ich weiß nicht, ob ich jemals wieder auf eines dieser Treffen gehen will.
Ich bin mit mehr Fragen in mein normales Leben zurückgekehrt, als ich vorher hatte.
Und die gewohnte Routine mit den langen Arbeits- und Unitagen erscheint auf einmal gar nicht mehr so bedrohlich, gemessen an dem, was ich gestern abend erlebt habe. |
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Datum: |
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09.11.2008 |
Autor: |
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Constanze |
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